St. Pauli droht erneut Insolvenz (dpa)
Hamburg (dpa) - Dem FC St. Pauli steht das Wasser bis zum Hals. Bei der Mitgliederversammlung des Hamburger Fußball-Regionalligisten wird ein Defizit von 886 000 Euro zum Ende der laufenden Saison erwartet. Nach Einschätzung des Präsidiums besteht Insolvenzgefahr für den 1910 gegründeten Stadtteilverein.
Bereits nach der vergangenen Saison hatte der FC St. Pauli ein Minus von 2,3 Millionen Euro ausgewiesen. Präsident Corny Littmann versprach den 649 anwesenden Mitgliedern jedoch, das Loch in der Vereinskasse bis zum Saisonende zu stopfen. Rund 500 000 Euro erhofft er sich von einer nicht näher erläuterten «Kunstaktion mit unseren Partnern».
Nur vier Monate nach der erfolgreichen «Retter-Kampagne», die durch T-Shirt-Verkauf, Benefizspiele, Spenden, Veranstaltungen und ungewöhnliche Solidaritätsaktionen wie «Saufen für St. Pauli» rund zwei Millionen Euro einbrachte und dem Zweitliga-Absteiger damit die Regionalliga-Lizenz sicherte, fürchtet der Verein erneut um seine Existenz. «Eine neue Retteraktion wird es nicht geben. Das kann man nur einmal machen», meinte Littmann. Trotz der alarmierenden Zahlen träumt der Verein von der Rückkehr in die 2. Bundesliga. Diese Saison soll lediglich mit einem einstelligen Tabellenplatz abgeschlossen werden. «2005 wollen wir den Wiederaufstieg in die 2. Liga, denn da gehören wir hin», forderte Littmann.
Vizepräsident Gunter Preussker kündigte unterdessen seinen schnellstmöglichen Rückzug aus der Vereinsführung an, sofern ein Nachfolger gefunden ist. Neben der drohenden Insolvenz läuft der Verein auch noch Gefahr, seine Gemeinnützigkeit zu verlieren. Der Fußball-Profibereich ließ sich von den anderen Abteilungen des Vereins Darlehen in Höhe von 450 000 Euro gewähren, hat diese bis heute aber nicht zurückgezahlt und dafür auch keinen Zeitplan.
Grund für die extreme wirtschaftliche Schieflage sei laut Littmann die Fehlplanung des Vorgängerpräsidiums unter Reenald Koch, der seinen Posten vorzeitig zum 5. Dezember 2002 räumte. Falsche Berechnungen und Prognosen hätten die trostlose Lage in der Vereinskasse verschleiert. «Die Zahlen waren geschönt», sagte der Präsident. In Unkenntnis der tatsächlichen Vermögenslage hatte das Littmann-Präsidium verhängnisvolle Entscheidungen wie Spielerverpflichtungen für knapp 500 000 Euro sowie teure Trainerentlassungen getroffen. «Ich hatte keinen Grund, wenige Tage nach Übernahme des Präsidentenpostens den vorgelegten Zahlen zu misstrauen», entschuldigte sich Littmann.
Bei den für die Regionalliga exorbitanten Zuschauerzahlen von 17 700 im Schnitt mutet die chronische Ebbe in der Vereinskasse mysteriös an. Littmann klärt auf: Die 2,5 Millionen Euro aus dem Kartenverkauf werden von den 2,2 Millionen Euro an Gehaltszahlungen für die Profis nahezu aufgezehrt. «Die Regionalliga ist eine undankbare Liga. Uns fehlen die Fernseh-Einnahmen», klagte der Chef.
Auf Grund fehlerhafter Etatplanungen und laufender Gerichtsprozesse wurden weder das frühere Präsidium (Reenald Koch, Stephan Beutel, Christian Pothe) noch die vom 5. Dezember 2002 bis 17. Februar 2003 amtierende Interimsführung (Littmann, Beutel, Pothe) entlastet. Folglich besteht die Möglichkeit, die früheren Amtsträger bei juristisch relevanten Verfehlungen in jener Zeit in Regress zu nehmen.
© dpa - Meldung vom 06.12.2003 11:43 Uhr
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