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Ouf, erst heute gesehen, da ich mich die letzten zwei Tage nicht wirklich am Rechner aufgehalten habe. Gleich im Anschluss daran gibt es auch noch einen Sonder-Newsletter zum Auswärtsspiel in Bremen...
Beginn der weitergeleiteten Nachricht:
Datum: Thu, 21 Oct 2021 12:00:33 +0000 Von: Südkurve Sankt Pauli mitgliederinfo@ultra-stpauli.de Betreff: Hansa-Heimspiel, Südkurvenmitgliedschaften und vieles mehr
Moin Südkurve, da ihr gerade den wohl inhaltlich umfangreichsten Newsletter der Südkurven-Geschichte vor euch habt, versuchen wir uns in der Einleitung kurz zu fassen. Ihr findet: Spielbericht und Tapeten-Erklärungen Dynamo, Ankündigung zur Südkurvenmitgliedschaft, Demo-Aufruf, Neues von unseren Freund*innen, Gästevorstellung Hansa und einen Blick zurück.
Hansa Heimspiel
Zwei Heimspiele hatten wir nun Zeit, uns wieder an das Stadionerlebnis zu gewöhnen. Jetzt gilt es! Scheiß Hansa Rostock kommt zu uns ans Millerntor und wir müssen abliefern! Singen, tanzen, springen – am Sonntag gibt es keine Ausreden. Nicht nur, dass einer unserer größten Gegner auf dem Platz steht, es geht bei diesem Spiel noch um viel mehr: Das erste Mal wird der Stimmungsbereich der Südkurve auf die Sitzplätze erweitert. Das ist eine großartige Chance die wir nutzen sollten, um auch die letzten Kritiker dieses Projekts zu überzeugen. Lasst uns gemeinsam zeigen, dass die Euphorie einer größeren Kurve das gesamte Stadion und die Mannschaft tragen kann. Um die Motivation auf die Spitze zu treiben, haben wir ein neues Video für euch: https://www.youtube.com/watch?v=1qztE9kQIkc Außerdem findet ihr hier - https://www.fcstpauli.com/news/erweiterter-aktiver-support-auf-der-sudtribune-beim-nachsten-heimspiel/
Süd-Erweiterung. Wir können es kaum erwarten mit euch durchzudrehen! Für eine Südkurve völlig außer Kontrolle!
(Foto 1)
Heimspiel Dynamo Dresden
Das Spiel gegen Dynamo Dresden leiteten wir mit dem üblichen Fahnen-Intro ein. Das sieht schon immer gut aus, es wäre aber schön wenn die Fahnen auch während des Spiels öfter den Weg vom Boden in die Luft finden würden. Zum Intro zeigten wir außerdem ein Spruchband mit dem Wortlaut „Friede den Kurven, Kampf den Verbänden". Hier findet ihr unsere Erklärung dazu: https://usp.stpaulifans.de/2021/10/friede-den-kurven-kampf-den-verbaenden/
Zur zweiten Halbzeit hing eine Tapete mit der Aufschrift „Free Lina – wir sind alle Linx” am Zaun. Hier unsere Erklärung dazu: Seit nun fast einem Jahr sitzt Lina E., eine Genossin aus Leipzig, in der Untersuchungshaft. Die SoKo Linx wirft Lina E. vor, Rädelsführerin einer Gruppe gewesen zu sein, die Nazis in ihrer Sprache in die Schranken gewiesen haben soll. Die Bundesanwaltschaft lässt sie per Hubschrauber nach Karlsruhe ausfliegen, dort soll der „Kommandogeberin“ der Prozess gemacht werden. Das alles während Nazis, die Pressevertreter*innen attackierten, ruhig in ihren Bettchen schlafen und die ermittelnden Behörden nun selber im Fokus von Strafverfolgungsbehörden stehen, da diese vertrauliche Informationen weitergegeben haben sollen. Unsere Solidarität gilt Lina und allen, deren Engagement gegen Faschisten kriminalisiert wird. Wie besang Danger Dan so schön, „mit Faschisten diskutiert man nicht, hat die Geschichte gezeigt“. Wir sind alle Linx.
Mehr Fotos vom Spieltag findet ihr hier: https://usp.stpaulifans.de/copper/thumbnails.php?album=533
(Foto 2, 3 und 4)
Auch die G.A.S zeigte an diesem Spieltag eine Tapete, die sie euch an dieser Stelle erklären:
KEINE EINIGKEIT MIT D-LAND! DEN 8.MAI ZUM FEIERTAG! G.A.S. Am so genannten „Tag der dt. Einheit” erinnerten wir, nur knapp drei Monate nach dem Tod von Esther Bejarano, an eines ihrer zu Lebzeiten größten Anliegen: Der Tag der Befreiung vom deutschen Nationalsozialismus muss offizieller, alljährlicher Feiertag werden! Die G.A.S. unterstützt weiterhin die Petition dazu: https://www.change.org/p/8-mai-zum-feiertag-machen-was-76-jahre-nach-befreiung-vom-faschismus-getan-werden-muss-tagderbefreiung-bkagvat-bundesrat
(Foto 5)
Neue Südkurvenmitgliedschaften
Leute, ratet was wieder da ist! Nicht nur wir sind wieder da, besser und motivierter denn je, sondern auch die Südkurvenmitgliedschaft. Die Zwangspause ist vorbei, die neue Saison in vollem Gange und die Rückkehr zur Vollauslastung steht bevor. Zeit für uns, die Südkurvenmitgliedschaft in ein neues Gewand zu schmeißen. Nun die wichtigsten Infos:
Wann und wo: • Mittwoch, den 03.11. von 16.30 – 19.00 Uhr am Fanladen • Samstag, 06.11. von 19.00 - 20.00 Uhr am Jolly Roger • am Spieltag-Sonntag, den 07.11. ab 10.00 Uhr am Fanladen, vorm Jolly und mit Stadionöffnung auch am Kabuff in der Südkurve und auf der Entrauchungsfläche zur Gegengerade • Weitere Termine folgen
Da wir uns nach wie vor mitten in einer Pandemie befinden, bitten wir euch, beim Kauf der Karten auf die nötigen Abstände zu achten und die Maske zu tragen. Wenn möglich, holt euch eure Mitgliedschaft außerhalb der Spieltage oder an den Spieltagen an den Stellen außerhalb des Stadions.
Was ist neu: • Auch dieses Jahr könnt ihr über uns Karten für Heim- und Auswärtsspiele beziehen. Hierbei wird zukünftig wichtig sein, dass die E-Mail mit der ihr bestellt, dieselbe ist, die ihr uns bei der Registrierung für den Newsletter gebt. • Da die Tickets primär an euch als Südkurvenmitglieder gehen sollen, wird es ab diesem Jahr bei der Abholung der Tickets eine Kontrolle der Mitgliedskarte geben. Steckt sie also ein und kommt vorbei. • Zukünftig wird es noch leichter sein, mit uns in Kontakt zu treten. Ihr habt Fragen, Anregungen, Sorgen oder Wünsche? Dann schreibt uns eine E-Mail oder ruft uns an. Zusätzlich zur Mitgliedskarte erhaltet ihr von uns einen kleinen Flyer mit der neuen E-Mail-Adresse und unserer Telefonnummer. • Geschenke, Geschenke, Geschenke! Ihr kennt es aus der letzten Verkaufsperiode. Auch dieses Mal wird es wieder eine Überraschung für euch geben. Und damit nicht genug. Über die Saison verteilt, werdet ihr immer wieder die Möglichkeit haben, euch bei uns eine Kleinigkeit abzuholen.
Was kostet der Spaß: Nach dem neuen Kram, den wir hier gerade präsentiert haben, fragt ihr euch jetzt bestimmt, was ihr dafür berappen müsst. Vorweg: leider kommen auch wir, nach Jahren der Konstanz, nicht um eine Preissteigerung herum. Also kurz und schmerzlos: die Südkurvenmitgliedschaft für die Saison 21/22 gibt es für 30,00€. Also Leute, packt euch Kohle ein (auch dieses Jahr gilt: nur Bares ist Wahres), kommt vorbei und sichert euch die neue Südkurvenmitgliedschaft! Für eine bunte Kurve!
Neues von unseren Freund*innen
SV Werder Bremen - FC Heidenheim
Endlich war es am Freitag, den 01. Oktober auch bei unseren Freunden an der Weser von Infamous Youth so weit, wieder in ihre Ostkurve zurückzukehren. Beim Heimspiel gegen Heidenheim galt erstmals die 2G-Regelung, die einen Support der aktiven Fanszene zum Teil wieder möglich macht. Ins Stadion kehrten neben „Infamous Youth“ auch die Gruppen „Caillera“ und „Ultra Boys Bremen“ zurück, und die Stimmung im Block war erstmals seit 30 Heimspielen wieder ausgelassen, laut und emotional – ein Support, der von Seiten der Spieler mit einem 3:0 Heimsieg belohnt wurde. Von welcher Dauer die Präsenz der Gruppen im Weserstadion sein wird, hängt von den Rahmenbedingungen ab, die für die kommenden Heimspiele gelten. Wir hoffen auf viele gegenseitig Besuche für die nächsten Spiele.
(Foto 6)
25 Jahre Ultras Inferno
Auch wenn die Pandemie das Zeitgefühl bei der ein oder anderen Person schleifen ließ und unsere Freunde von Ultras Inferno vor gefühlt 2 Jahre erst Ihren 20. Geburtstag feierten, war es wieder so weit: Ultras Inferno wurde 25 Jahre alt. Da die Pandemie keine Feierlichkeiten zuließ, zumindest nicht so wie es sich unsere Freunde erhofften, reiste eine kleine aber feine Delegation des Hamburger Stadtmeisters in das Land der Fritten, Frikandeln und des guten Bieres. Wir starteten Samstag früh an einem weniger schönen Augustwochenende in Richtung Belgien. Kaum in Lüttich angekommen, erblickten wir neben unseren Freunden das ein oder andere kaltgestellte Jupiler und mit dieser Stärkung im Gepäck machten wir uns auf den Weg ins Lütticher Umland für eine Kanu-Tour. Ganz im Lütticher Pandemie-Bewusstsein wurden 2er Kanus zur Verfügung gestellt und nach mehrmaligem Durchzählen der Teilnehmer (welches jedes Mal andere Zahlen aufwies) setzten wir uns bei schönstem Wetter in einen Shuttle Bus zum Startpunkt der Tour. Zur Tour selbst lässt sich nicht viel sagen. In Erinnerung geblieben ist, dass einerseits 5 Kilometer weniger der Tour auch nicht geschadet hätten und andererseits die ein oder andere Kanu-Besetzung doch sehr unter der Strecke gelitten hat. Ganz viel Liebe geht an dieser Stelle an meinen Paddelpartner raus, welcher an einer Sportverletzung litt und die 6-7 Stunden lange Tour mit einem gut beschwipsten Lebemenschen von Kettenraucher durchstehen musste. Nachdem wir die Tour durch die belgischen Kanäle, vorbei an den Überbleibseln der Überschwemmungen, welche noch deutlich in den Büschen am Kanalrand zu sehen waren, überstanden hatten, machten wir uns wieder auf den Weg nach Lüttich. Dort folgte dann im kleinen Kreis die interne Geburtstagsfeier unserer Freunde inklusive der belgischen Interpretation eines Gourmet-Dinners, Musik und einer Vielzahl guter Getränke. Zu der Party lässt sich folgendes sagen: „Gute Partys kann man nicht nacherzählen, entweder weil man dabei gewesen sein muss oder weil keine Erinnerungen mehr vorliegen“. Außerdem soll noch gesagt sein, dass unsere Freunde aus Lüttich seit September aufgrund der 2-G Regelung endlich wieder ohne Einschränkungen im Stadion supporten können. Ultras Inferno verfolgt das Tabellen-Fahrstuhl-Gefahre nun also wieder aus der Kurve. In diesem Sinne: „Yobovs United- 25ans Ultras Inferno!“
(Foto 7)
Demonstration: 10 Jahre NSU-Selbstenttarnung
Am 04.11.2021 jährt sich zum 10. Mal die Selbstenttarnung des „Nationalsozialistischen Untergrund“ NSU. Das Kerntrio um Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos verübte 13 Jahre lang, zusammen mit einem durch die deutschen Sicherheitsbehörden erstarkenden Netzwerk, rassistische Morde, lebensgefährliche Sprengstoffanschläge sowie Raubüberfälle in mehreren Städten der Bundesrepublik.
Das NSU-Netzwerk wurde durch die Sicherheitsbehörden auch nach ihrer Selbstenttarnung vor Aufdeckung und Strafverfolgung geschützt und somit eine vollständige und konsequente Aufklärung verhindert. Besonders die Stadt Hamburg hat sich, als einziges Tatortland, selbst dem Versuch einer vollständigen Aufklärung und Aufarbeitung verweigert und trägt so einen großen Anteil zum staatlichen Totalversagen bei. „Wer gegen die Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen." - Esther Bejerano Daher unterstützen und teilen wir den Aufruf zur Demonstration „10 Jahre NSU Selbstenttarnung“ und sehen uns am 06.11.2021 um 13 Uhr auf dem Ramazan-Avci-Platz (S-Bahn Landwehr) in Hamburg. Gemeinsam und solidarisch gegen Antisemitismus, Antiziganismus, antimuslimischen und jede andere Ausprägung von Rassismus sowie rechte Gewalt!
Gästevorstellung Hansa Rostock
Who the Fuck is Hansa Rostock? Diese Frage dürften sich in letzter Zeit einige von uns gestellt haben, hat es doch die Kogge kürzlich für fast zehn Jahre in die Niederungen der Dritten Liga verschlagen. Da sich unsere Mannschaft bekanntlich stets souverän den Klassenerhalt in der 2. Bundesliga gesichert hat, kam es folglich seit neuneinhalb Jahren zu keinem Aufeinandertreffen mehr. Doch wer nun glaubt, dass sich die Feindschaft zu Hansa in dieser Zeit etwas verflüchtigte, irrt. Bis zum heutigen Tag und dem ersten Aufeinandertreffen seit fast einem Jahrzehnt brodelt die braun-weiße Seele und ballt sich die Hand zur Faust beim Gedanken an die Hanseaten aus Rostock. Ohne Zweifel, auf der Südtribüne und insbesondere bei den Suptras stehen beileibe nicht nur Nazis, sondern teilweise auch politisch korrekte Menschen - gerade nach den jüngsten Verwerfungen rund ums Ostseestadion. Denn im Februar 2019 verabschiedete sich ein gar nicht mal so kleiner Haufen Hansa-Fans von der Südtribüne. Teile der Fanszene aus Vorpommern - es kursierten Namen von Orten wie Anklam und Rotte - zog es in den Block 9A im Eck der gegenüberliegenden Stadionseite. Auch die "Nordische Wut", die 2016 gegründete und offen nazistische Hooligangruppe (welche nach einer russischen DIY-Doku ins Visier der Repressionsorgane geraten war und bis 2019 die Füße stillhalten musste), ging diesen Schritt. Die nationale Ausrichtung der Abtrünnigen war also ein Spaltungsgrund, unterschiedliche Supportvorstellungen angeblich ein anderer. Gleich beim ersten Spiel zeigte der Block 9A das Banner „Vorpommern wünscht allen Angeklagten im Dresdenprozess viel Kraft und Gerechtigkeit!!!“. Eine Bezugnahme auf zwei Mitglieder der extrem rechten "Oldschool Society", die wegen des Angriffs auf Flüchtlingsunterkünfte angeklagt waren. Doch auch nach erfolgter Abspaltung kehrte nicht unbedingt "unpolitische" Ruhe in Rostock ein. Im Corona-Sommer 2020 ereigneten sich einige Graffiti-Battle, bei denen in steter Regelmäßigkeit Graffiti der Suptras zerstört wurden. Im Zuge der Rückkehr in die 2. Liga glichen sich die Messages von Südtribüne und Block 9A aber wieder an: "Scheiß Sankt Pauli" war das unüberhörbare und unteilbare Mantra bei der Aufstiegsfeier.
Um gleich im Ansatz zu vermeiden, dass allseits Sympathien für die standhafte Südtribüne aufkeimen könnten, hat selbige zuletzt ebenfalls manches Mal daneben gegriffen. So wurde eine ziemlich "spezielle" Choreo zum 20. Geburtstag von Wolgastä im wahrsten Sinne des Wortes hochgezogen: Frakturschrift, "Vaterlands"-Pathos und die blöden Onkelz mit "Auf gute Freunde" über die Boxen, rundeten den nationalistischen Erguss ab. Erst kürzlich tauchte auch wieder ein Flyer auf, nach dem Frauen in den ersten Reihen der Kurve nichts verloren hätten. Es ist und bleibt eben Hansa und da wird selbst im Suptras-Heft "Plattenpost" das "Heil Hansa" vermutlich ironisch gepflegt.
Der Blick zurück
Durch die Wiedervereinigung traf der FC St. Pauli erstmals Anfang der 1990er-Jahre in Pflichtspielen auf Vereine aus Ostdeutschland. Gerade die Auswärtsfahrten stellten schnell ein größeres Problem für die Fans dar, da sie stets mit gewalttätigen Konfrontationen mit zahlenmäßig deutlich überlegenen Nazis rechnen mussten. Aus diesem Grund boykottierte die „aktive Fanszene“ von St. Pauli beispielsweise die Auswärtsspiele der Saison 1992/1993 in Chemnitz, Jena und Leipzig. Diese Entscheidung war alles andere als unumstritten. Der folgende Auszug aus dem damals sehr beliebten Fanzine Millerntor Roar gibt einen Einblick in die Gefühlswelt der Befürworter:innen dieser Boykotte: „Wir als St. Pauli-Fans würden uns immer und überall als antifaschistische Frontkämpfer fühlen und aufführen. Dies würde nämlich bedeuten, dass bei irgendwelchen Auseinandersetzungen mit Nazis unweigerlich „ganz normale“ Fans in Mitleidenschaft und in Gefahr geraten würden. Das kann und darf nicht passieren! Die Realität würde nämlich so aussehen, dass sich eine relativ kleine Gruppe St. Pauli-Fans einer Übermacht an Faschoangreifern gegenübersähe. Wir haben keinerlei Bock auf Märtyrersuche und dass plötzlich einer von uns in einer Blechkiste nach Hamburg zurückkehrt“ (Millerntor Roar Nr. 24, 12.09.1992, S. 18).
Die Spiele in Rostock stellten keine Ausnahme dar, sondern nahmen hinsichtlich des Gefahrenpotenzials eine Sonderrolle ein. Woran das lag? Der nationale Taumel im Zuge der Wiedervereinigung (sehr markant und detailliert hier - https://zweiteroktober90.de/ - aufgezeigt) brachte sowohl ein staatliches Machtvakuum mit sich als auch körperliche Angriffe auf alles, was Neonazis nicht in ihr abscheuliches Weltbild passte. Die Exekutive ließ sie gewähren, sodass sich rechte Jugendkultur an vielen Orten in den damals neuen Bundesländern eine Hegemonie aufbauen konnte. Auch wenn es durchaus bemerkenswerte antifaschistische Initiativen und Gegenwehr gab, ein großer Teil jugendlicher Subkultur dachte und handelte neonazistisch – geduldet und befördert von einer Kultur des Billigens und Förderns der Mehrheitsgesellschaft. Die Ereignisse im sächsischen Hoyerswerda (1991) waren der Auftakt der zahlreichen rassistischen Pogrome in den frühen 1990er-Jahren. Die Ereignisse von Rostock-Lichtenhagen (August 1992) um das Sonnenblumenhaus sind schließlich trauriges Symbol dafür geworden, dass rechte Brandstifter:innen und ein klatschendes Publikum in völliger Abwesenheit staatlicher Akteur:innen schalten und walten konnten, wie sie wollten, und die antifaschistischen Interventionsversuche gegen das rassistische Pogrom unterbanden. Die Molotowcocktails, die in das Wohnhaus vietnamesischer Vertragsarbeiter:innen flogen, hallen bis heute nach. Nur mit viel Glück konnten sich die Menschen im Haus über das Dach retten, während der Staat versagte, die Nachbarschaft johlte und Rassist:innen versuchten zu töten. Die Debatte wurde ausgerechnet „befriedet“, indem eine SPD/Unions-Mehrheit im Bundestag eine Grundgesetz-Änderung beschloss, die das Grundrecht auf Asyl bis zur Unkenntlichkeit entstellte. Für rechte Täter:innen haben die Ereignisse von Rostock-Lichtenhagen bis heute große Symbolkraft: Mobilisiert man „auf die Straße“ haben selbst krasseste Gewalttaten das Potenzial, Erfolge rechter Politik zu ermöglichen; dies bewiesen die Ereignisse von Rostock 1992 vielen Faschos. Allen sei an dieser Stelle noch der Film „The truth lies in Rostock“ empfohlen, der die Stimmung dieser Tage eindrücklich einfängt. Rostock wurde damals zum Synonym für alles, was damals scheiße war, was sich selbstredend auch im Ostseestadion widerspiegelte.
Das erste Auswärtsspiel in Rostock überhaupt fand am 13.03.1993 statt. Die aktive Fanszene verständigte sich nach langen Diskussionen im Fanladen darauf, das Spiel zu besuchen und es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Die Resonanz war sehr groß. 1000 St. Paulianer:innen begaben sich mit Bussen, Autos und der Bahn auf die vergleichsweise kurze Reise an die Küste. Während es auf dem Anfahrtsweg ruhig blieb und die neben dem Gästeblock positionierten Hansa-Fans während des Spiels zunächst „nur“ mit rechten Gesängen auffielen, eskalierte die Situation zwanzig Minuten vor dem Abpfiff doch noch: „Vom oberen Kurvenrand aus konnten wir beobachten, wie über den hinter der Haupttribüne gelegenen Parkplatz […] ca. 400(!) Hooligans heranstürmten. Diese gelangten ungehindert in den Stadionbereich und versuchten, die St. Pauli-Ecke zu stürmen. Nun machte sich Panik unter uns breit, da gleichzeitig aus dem rechten Kurvenbereich Hools versuchten, uns anzugreifen. Die große Gruppe Hools wurde dann von einem Wasserwerfer kurz zurückgedrängt und stürmte nun die Haupttribüne, von wo aus sie die St. Paulianer bepöbelten und mit Gegenständen bewarfen. Gleichzeitig öffneten sie eine Glastüre und versuchten, in „direkten Kontakt“ mit uns zu treten. Dies war der Augenblick, in dem unsere Leute angesichts einer völlig planlos agierenden Polizei zur Selbsthilfe griffen und Gegenstände zurückwarfen, um die Hools fernzuhalten. Ein St. Pauli-Fan erlitt in dieser bedrohlichen Situation einen Herzanfall, andere wurden durch Steinwürfe verletzt“ (Millerntor Roar Nr. 28, 18.04.1993, S. 18). Kein Wunder also, dass nach diesen Vorkommnissen eine intensive Feindschaft entstand, die zunächst auch stark politisch aufgeladen war.
Diese starke Rivalität zwischen Rostock und St. Pauli sollte gar Stoff für einen mit Benno Fürmann und Jürgen Vogel prominent besetzten Spielfilm mit dem Titel „Schicksalsspiel“ liefern. Im Zentrum steht die Auswärtsfahrt einer Gruppe St. Pauli-Fans nach Rostock, die sich in einer klassischen Romeo und Julia-Geschichte wiederfinden. Auch wenn die Handlung damit etwas platt und vorhersehbar ist, so sind die Charaktere, auch durch die Beteiligung einiger bekannter St. Pauli-Fans, ganz gut getroffen. Bei den Aufnahmen im Sonderzug und vor dem Stadion wirkten 150 Komparsen aus der aktiven Fanszene mit, die eigentlich nur das tun mussten, was sie am Wochenende eh regelmäßig machen: Fangesänge intonieren und Bier trinken. Schaut euch den Film - https://www.youtube.com/watch?v=vrhveHFsafQ also ruhig mal an und taucht etwas in die Nachwendezeit und die damaligen Sonderzugfahrten ein.
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Grüße Stefan
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