Während der WM grinsten uns via Mattscheibe abwechselnd Gerhard Delling mit seinem Pendant Günter Netzer oder Johannes B. Kerner mit den „Experten“ Jürgen Klopp seines Zeichens Trainer des FSV Mainz 05 und Ex-Schiedsrichter Urs Meier an. Die beiden öffentlich rechtlichen Sende-Anstalten betrieben den absoluten WM-Overkill.
In der Vorrunde begann das Programm spätestens drei Stunden vor der ersten Begegnung. In der Zeit bis zu dem ersten Spiel wurde man mit so elementaren Information versorgt, in welchem Hotel welches Team untergebracht ist und ob irgeneinem deutschen Spieler ein Wehwehchen plagte. Die Spiele wurden relativ ordentlich begleitet. Kein groben Aussetzer der Kommentatoren und die Expertenrunden waren leidlich o.k.
Wobei sich das Duo Delling-Netzer in den letzten Jahren in meinen Augen ein wenig abgenutzt haben. Teilweise wirken die Frotzeleien der beiden Protagonisten und Grimme-Preisträger inzwischen gestelzt. In allen Medien wurde das ZDF-Experten-Pendant Klopp als die mediale Entdeckung der WM gefeiert. Im Nachhinein würde er wohl lieber drauf verzichtet haben und wäre bei seinem Klub während der ersten Vorbereitung auf die kommende Saison gewesen, denn der FSV stieg im Folgejahr mit einem stark geschwächten Kader ab.
Legendär hingegen war hingegen der Auftritt vom Schweizer Meier beim Elfmeterschießen seines Landes gegen die Ukraine. Wer erinnert sich nicht an den Nachbericht als man beim ersten verschossenen Elfmeter der Osteuropäer den jubelnden ehmaligen Schiedsrichter einblendete, der zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnen konnte, dass seine Schweiz innerhalb von Minuten die Engländer an diesem Tag in der Kategorie der unfähigsten WM-Elfmeterschützen mühelos überholten. Bei jedem Fehlschuss sackte Meier weiter in sich zusammen und hatte zum Schluss Tränen in den Augen,
Während der Traum der Schweizer auf jähe Weise unterbrochen wurde, konnte ein Traum wieder einmal gar nicht erst angefangen werden zu träumen. Irgendein geistiger Nackttänzer beim ZDF kam auf die Idee, man müsse zum 100.000 Mal versuchen Comedy und Fußball zusammen bringen. Das Ergebnis war nicht nur ein Desaster – es dürfte die ganze Welt davon überzeugt haben, dass Deutsche keinen Humor haben.
Nachgetreten hieß sinnigerweise das Format von Ingolf Lück und mehr oder minder begabten Comedians, bei dessen genuss man sich tatsächlich so fühlte, als hätte einem Oliver Kahn in die Eier getreten. Sinn entleerte und vor allen Dingen rassistisch grenzwertige Kommentare gab es z.B. nach der Niederlage der Polen gegen Deutschland zu hören. Polen habe verloren, hieß es in der drittklassigen Komikerrunde, und das sei doch sehr ungewöhnlich: Üblicherweise fänden die Polen ja eher Dinge, die niemand verloren habe. Hans Werner Olm glänzte in der Sendung mit grenzdebilen Liedern über andere Nationen und dass Frauen keine Ahnung von Humor und Fußball haben, wurde bei Gabi Decker und Kim Fischer wieder einmal mehr als deutlich – oder bedienten sie einfach nur das gewünschte Klischee?
Etwas besser war das nicht nur auf Komik angelegte Pendant bei der ARD. Waldemar Hartmann wurde zuvor von den Sportallmächtigen der ARD ausgebootet und durfte nicht bei der WM vor Ort sein. Da entwickelte die bayrische Landesanstalt ein Konzept, in dem der nicht mehr schnauzbärtige Moderator doch zu WM-Ehren kam. Im Duo mit Harald Schmidt durfte Waldi die WM aufarbeiten. Zumindest vermieden es die beiden Protagonisten in Waldis WM Club solche Peinlichkeiten abzuliefern wie ihre Kollegen vom ZDF und dafür kann man ja schon dankbar sein.
Die Online-Medien schafften sich eigene WM-Portale. Überall gab es Live-Ticker, Sonderberichterstattungen und das ganze in extrem werbefinanzierten Portalen, wo einen die offiziellen und nicht offiziellen Sponsoren der Weltmeisterschaft anblinkten. Wobei man sagen muss, dass inhaltlich die meisten die gute alte dpa- bzw. sid-Nudel drehten. D.h. es gab kaum eigen recherchierte Texte sondern es wurden Agenturmeldungen entweder 1:1 hineingestellt oder sie wurden leicht umgeschrieben. Leider nutzte kein Portal die Möglichkeiten des Mediums voll aus. Auf Streams von der WM und andere nette Dinge musste der User weitestgehend verzichten.
Bei den Printmedien gab es die übliche Qualitätsschere. Während die Frankfurter Rundschau und die in der selben Stadt beheimatet Allgemeine sowie die Süddeutsche Zeitung redaktionelle Höchstleistungen ablieferten, schaffte es die Boulevardpresse mal wieder, keine Peinlichkeit auszulassen. Dünnpfiff der harmloseren Art war noch die Überschrift „Schwarz-Rot-Geil“, um die Begeisterung der Menschen in Deutschland zu beschreiben.
Dabei glänzte die BILD mal wieder mit Headlines, die dem natürlich deutschen Übermenschen in seinem Pisse schwitzenden Trilobal-Trainingsanzug das Ego steigern ließ. Vor dem Spiel gegen Italien rief sie zu Rache für den gesperrten Torsten Frings und nach der Niederlage zum Pizza-Boykott auf. Zuvor erklärt Bild wie man IKEA-Elche grillt und stichelte bei den Kommentare gegen jedes Team, dass nicht Deutschland hieß.
Positiv muss angemerkt werden, dass die Themen, die nicht mit dem Sportlichen zu tun hatten, nur Randnotizen blieben. Das muss eine riesige Enttäuschung für all die Boulevard- und Klatschreporter gewesen sein und natürlich noch mehr für die Semiprominenten, die sich verzweifelt WM-Karten besorgt hatten, um mal wieder im Bild zu erscheinen. Doch keiner interessierte sich für sie. Wer wollte schon wissen, welches Kleid die Schlampe XY trug und ob die Augenränder von Z mit Hilfe einer Operation entfernt wurden. Vielen Dank dafür!
Ach so, wer noch einmal vor Schmerzen weinen möchte, kann das hier tun: http://www.podster.de/view/2774/episodes