Salut in die Runde, salut Malte,
zu dem von Malte angesprochenen Thema muss ich auch einen Beitrag abliefern. Bin auch ein aus Westdeutschland Zugezogener, allerdings nicht aus dem Norden, sondern aus dem Süden. Die Einschätzung ostdeutscher Verhältnisse rund um den Fußball ist aber die gleiche.
Ich weiß: die Mauer ist weg, Deutschland wächst zusammen und Randale gibt es auch im Westen wie die letzten Tage (München, Bochum) bewiesen haben. Gleichwohl halte ich es für gerechtfertigt, hier über ostdeutsche Zustände zu sprechen. Hier sind Gewalt und Rassismus nunmal ein deutlich größeres Problem als im Westen, mit medialer Berichterstattung hat das nichts zu tun. Im Gegenteil: es ist zum Teil schlimmer als der Eindruck, den man allein durch die Medien gewinnt.
In meiner Vorstellungsmail hatte ich ja geschrieben, dass ich seit kurzem Fan des Dresdner Sportclubs bin, jener traditionsreichen Mannschaft, die vor wenigen Jahren noch höherklassiger als Dynamo gespielt hat, seitdem aber 4 Abstiege in 5 Jahren hinter sich hat und nun in Liga 7 spielt. Zum DSC bin ich gestoßen, weil ich gerade für ein Studierendenmagazin einen Artikel über Treue zu einem Verein im Niedergang schreibe.
Im Zuge meiner Recherchen und meines recht kurzen Fandaseins habe ich die Schwarz-Roten mittlerweile zu 2 Auswärtsspielen begleitet. Das erste Auswärtsspiel war in Großenhain. Nun, dachte ich, fährst kostenlos mit dem Semesterticket hin. Ein DSCer meinte aber, ich solle doch mit dem Fanbus mitfahren. Sei sicherer. Naja, habe ich halt den Zehner dafür geblecht. Zum Glück. Wir kommen mit dem Bus am Stadion an und fahren am Eingang vorbei Richtung Parkplatz. Und wer erwartet uns direkt am Eingang? Eine Gruppe von rund 15 Jugendlichen, die zum Teil ihre schwarz-gelben Schals schön ins Gesicht gezogen hatten. Wir sind dann geschlossen an jenen finster schauenden Gestalten vorbei zum Eingang gegangen. Passiert ist nichts. Woran das lag? Wohl an den 3 Ordner-Schränken am Eingang, die uns abgetastet haben, als würde Lok gegen Dynamo spielen. Insgesamt waren übrigens ein halbes Dutzend Ordner im Stadion, die die Situation auch vollends im Griff hatten und die Dynamo-Jugendlichen abgehalten haben, sich zu stark uns anzunähern. Später kamen noch 2 Streifenpolizisten hinzu, die unseren Bus bei der Abfahrt noch ein bisschen begleitet haben. Zur Erinnerung: es handelte sich um ein Spiel der Bezirksklasse Staffel 4.
Zwei Wochen später. Auswärtsspiel in Radeburg. Rund 40 DSCer reisten mit Privatautos an. Ordner gab es dieses Mal keine, dafür hatte sich vor dem Stadion ein Polizei-Sixpack positioniert. Sind zwar nach Spielbeginn wieder weggefahren, kurz vor Spielende sind sie aber wieder aufgetaucht. Zu Recht. Kommentar eines Mitfahrers: "Unglaublich, was für finstere Gestalten aus ihren Löchern kriechen, wenn der DSC auftaucht." Als wir wieder geschlossen aus dem Stadion sind, hatte sich einer von diesen finsteren Gestalten uns provokativ in den Weg gestellt, sein Gesicht komplett mit einem schwarz-gelben Schal vermummend. Passiert ist wieder nichts, wohl dank der im Hintergrund anwesenden Polizei. Gäbe es in Radeburg ein Thor Steinar- Verbot, wäre übrigens ein nicht geringer Anteil an Zuschauern, eben jene potenzielle Ärgerpatienten, nicht ins Stadion gekommen.
Ich könnte noch vielmehr schreiben. Zum Beispiel davon, wie nach dem Aue-Spiel drei Fans aus Dresden, incl. mir, von 15 Faschos hinterrücks überfallen, niedergeschlagen bzw. niedergetreten worden sind. Mit einem davon, hattest du, Tommy, glaube ich, im Stadion kurz gesprochen. Ich schildere die Situation vielleicht noch in einer extra Mail. Ich könnte auch noch von meinem ersten Kontakt mit St. Pauli in Dresden berichten, einer Meldung in der Sächsichen Zeitung nämlich, in der kurz geschildert wurde, dass ein Student in Nähe des Campus zusammengeschlagen wurde. Grund: Tragen eines Totenkopf-T-Shirts. Ich könnte von der Situation erzählen, als letzte Saison Union in Dresden gespielt hat und ich während dem Spiel in Stadionnähe war. 1200 Polizisten vermittelten einem unbedarften Beobachter den Eindruck, als ob ein Bürgerkrieg ausgebrochen wäre. Von den Erfahrungen bei Dynamo-Spielen im Fortuna Düsseldorf und im Babelsberg-Gästeblock könnte ich auch noch schreiben. Ich könnte freilich auch meine Erlebnisse rund um die WM in Deutschland schildern, in der Neustadt. Als ich in einer Neustädter Kneipe das Halbfinale mit Kollegen angeschaut habe, etwas enttäuscht war ob des Ergebnisses, ich aber dann den italienischen Kollegen aus dem benachbarten Restaurant gratuliert und mich mit diesen nett unterhalten hatte, diese dann einen Siegeszug durch die Neustadt unternommen hatten, wir währenddessen die Neustadt verlassen hatten, und uns dann wunderten, als wir zurückkamen, warum plötzlich soviel Polizei vor Ort war. Der Grund war am übernächsten Tag in der Lokalzeitung zu lesen: ein italienischer Fan wurde vom Roller getreten, ein geparktes Auto mit italienischer Fahne angezündet. Auch die Erfahrung nach dem Finale wäre interessant genug, um sie mitzuteilen. Ich an einer Kreuzung in der Äußeren Neustadt stehend, auf der anderen Seite Faschos. Einer ist durchgedreht, schreit "Heil Hitler" und wirft eine Flasche, die direkt vor mir aufkommt (hatte aber nicht auf mich gezielt): 20 Sekunden später fuhr ein Mannschaftswagen der Polizei vor und die damals noch "Grünen" haben ihn kassiert. In der eigentlich links-alternativen Neustadt.
Meine Mail ist verdammt lang geworden. Und ich gestehe, dass ich in dieser Mail positive Erfahrungen, zum Beispiel mit Dynamo-Fans, zum Beispiel mit dem Auswärtsspiel in Jena nicht erwähnt habe. Hole ich noch nach. Aber das musste einfach mal raus, das Thema beschäftigt mich nämlich sehr. Danke fürs Lesen :-)
Nach den Ereignissen in Aue waren wir übrigens noch im Cafe Pawlow und haben noch ein, zwei Astra getrunken. Dabei haben wir uns geschworen: FC St. Pauli - jetzt erst recht! Es mag vielleicht zu pathetisch klingen: ich liebe diesen Verein. Ich liebe es zu wissen, dass beim FC St. Pauli und beim DSC Nazis nicht geduldet werden. Ich bin glücklich darüber, dass ich beim Torjubel bei beiden Mannschaften wahllos Leute umarmen kann und dabei weiß, dass ich keinen drücke, der die gegnerischen Fans als "Juden" oder "Zigeunerpack" beschimpfen würde. Ich liebe es zu wissen, dass ich zu beiden Vereinen Freunde mitbringen kann, die anderer Hautfarbe sind als ich, ohne dass sie sich rassistische Sprüche anhören müssen.
Genug des Pathos'.
Grüße aus Dresden Andi
-------- Original-Nachricht --------
Datum: Tue, 11 Dec 2007 19:02:37 +0100 Von: "Malte Würger" malte.wuerger@gmx.de An: pirates@yahoogroups.de Betreff: [NP] Fanfreundschaften
Also von ner Fanfreundschaft zwischen unserem FC St.Pauli und Dynamo Dresden hab ich auch noch nichmal ansatzweise was gehört *gg würde mich aber auch wundern.
Ich hab im Schrank noch nen alten Freundschaftsschal von Pauli und 1860 München...
ansonsten sind mir auch nur Celtic und Kölle bekannt...
Aber das für mich durchaus amüsanteste war die frage eines Kumpels von mir ob der FC St.Pauli nun wirklich ne Fanfreundschaft mit LOK Leipzig hat.
Da musste ich doch leicht grinsen.
Ich weiß nich wo er das aufgeschnappt hat, aber das kann ich mir noch viel weniger vorstellen als das mit Dynamo.
Apropos LOK Leipzig.
Habt ihr die erneuten Vorfälle aus leipzig mitbekommen?
Einige vermummte, vermutliche LOK Leipzig Anhänger, haben die Weichnatsfeier eines FC Sachsen Leipzig Fanclubs gesprengt. Gab einige Verletzte Sachsen-Fans, es wurde mit Leuchtmunition gefeuert, Türen eingetreten. Sachschaden von 50.000 Euro.
Ich weiß es klingt Klischeehaft, aber ich wohne jetzt ca 1 Jahr in Sachsen-Anhalt und seitdem krieg ich um einiges mehr an Fanrandalen mit, als noch im hohen Norden.
Ich dachte immer, dass es überall zu randale kommt und dass die randale im osten nur extrem hervorgehoben wird. Aber seitdem ich hier wohne lese ich teilweise wöchentlich in den Lokalzeitungen von Übergriffen ostdeutscher "Fußballfans". Egal ob LOK, Dresden, Jena oder hier in Halle natürlich noch extremer, der HFC.
Ich kann hier teilweise nichtmal mehr mit meinem Pauli-Pulli/Shirt auf die Strasse gehen, ohne dass ich beleidigt oder extrem dumm angemacht werde, bishin zur Androhung körperlicher Gewalt. (Ich bin froh, dass das noch nicht oft vorkam und die meisten dann doch den Schwanz einziehen wenn ich in voller Lebensgröße, 2.02m, vor denen stehe)
Täusch ich mich wirklich so extrem, oder geht es hier im Osten wirklich so extrem radikal zur Sache wie ich es momentan mitbekomme??
Was denkt ihr zu der immer weiter wachsenden Gewalt im Fußballosten?
Gruß
Malte
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