Hallo liebe Leute, ich fühle mich durch euer Lob etwas unter Druck gesetzt. Hier also der dritte Teil:
Schon in der ersten Bewerbungsphase für die Weltmeisterschaft war klar, dass Hamburg auf jeden Fall einer der Standorte des Turniers sein würde. Besaß doch die Hansestadt neben dem Westfalenstadion in Dortmund das einzige halbwegs WM-taugliche Stadion der Republik.
So kam es in dieser Frühphase häufiger vor, dass sich die internationalen FIFA-Gäste in Hamburg trafen, um sich ein Bild vom Standort Deutschland zu machen. Dabei wurde natürlich auch immer die AOL-Arena gezeigt.
Da sich die Hansestadt nicht wirklich ernsthaft beim nationalen OK bewerben musste, wurden die Kämpfe zwischen den anderen potenziellen WM-Städten hanseatisch zur Kenntnis genommen. Ein erste leichte Begeisterung war verspürbar, als Deutschland auf dem legendären FIFA-Kongress den Zuschlag bekam – sehr zum Unwillen des FIFA-Generalsekretärs Joseph S. Blatter, der Südafrika favorisiert hatte. Legendär deswegen, da sich der neuseeländische FIFA-Vertreter, der das Zünglein an der Waage spielen sollte wohl von einem Bestechungs-Fax des Satiremagazins Titanic so sehr unter Druck gesetzt fühlte, dass er sich seiner Stimme enthielt, so dass Deutschland den Zuschlag erhielt.
Mit saurer Miene verkündete nach der Abstimmung Blatter: „And the winner is Deutschland.“ Jetzt wurden in den WM-Städten die Pläne und Bauten für das Turnier intensiviert. Bloß was tun, wann man ein fertiges Stadion besitzt. Es wurden einige Verschönerungsmaßnahmen in der Stadionperipherie beschlossen und zum Turnier auch umgesetzt. Die langen Wege von den S-Bahnhöfen am Volkspark sollten neu gepflastert werden. Die Bahn renovierte den maroden S-Bahnhof Stellingen.
Doch ungefähr bis ein halbes Jahr vor dem Turnier zeigten sich die Hamburger eher gelangweilt, wenn es um das Thema WM ging. Das wurde schlagartig anders als Anfang Dezember 2005 in Leipzig die Gruppen ausgelost wurden. Ein groteskes Schauspiel fand da in Sachsen statt, denn eine Auslosung im eigentlichen Sinne war es ja nicht. Aber an dieser Stelle will ich nicht mit den Regeln für die Zuschusterung der Mannschaften zu den einzelnen Gruppen langweilen, denn am Rande dieser Veranstaltung geschahen Dinge, die für den Verlauf der kommenden Wochen und Monate bis zur WM viel interessanter waren.
Die Stadt Nürnberg präsentierte sich in Leipzig mit Lebkuchen und Würstchen oder sagen wir besser sie wollte es: Unglaublich aber wahr, dem fränkischen Gastgeber wurde es untersagt, seine landestypischen Spezialitäten im Rahmen dieser Veranstaltung anzubieten, da sich ein große Fast-Food-Kette die alleinige Verköstigung für das gesamte Turnier gesichert hatte - und dazu gehörte auch dieser Kongress.
Langsam wurde deutlich, dass mit dem Zuschlag für das Turnier, die Bundesrepublik Deutschland sich für den Zeitraum der WM, in die Gesetzgebung der FIFA begeben hat und FIFA-Recht steht über Völker- und jeglichem anderen Recht. Der Verband achtete peinlich genau drauf, dass die Interessen der offiziellen Sponsoren nicht durch Konkurrenz tangiert wurden.
So dauerte es nicht lange, bis sich auch Hamburger Politiker über die Gängelung durch die FIFA beklagten, da es der Verband der Stadt fast unmöglich machte, lokale Sponsoren für das Turnier zu finden, die dann auch noch mit dem Event werben durften. "Die kümmern sich nicht nur um die Brötchen, sondern auch um die Krümel", sagt Jürgen Schmidt (SPD), Vorsitzender des Sportausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft.
Teilweise nahm die Regelungswut zum Schutz der offiziellen Sponsoren groteske Züge an.
Das HSV-Museum in der AOL-Arena, die während des Turniers WM-Stadion Hamburg heißen musste, durfte jeweils zwei Tage vor und nach einem Turnierspiel nicht geöffnet werden, da einige ausgestellte Trikots mit Beflockungen von der FIFA nicht genehmen Trikotsponsoren versehen waren.
Es ging sogar so weit, dass ein ungefähr 300 Meter vor dem Stadion befindlicher Kiosk, seine Bierreklame abmontieren sollte, da diese nicht von einem der beiden Getränkesponsoren sei. Aber nicht nur Hamburg hatte zu leiden.
In Nürnberg wurden Geldautomaten der HypoVereinsbank mit Klebeband überdeckt, in der Bankenstadt Frankfurt mussten in Stadionnähe die Logos von Kreditkartenfirmen zugeklebt werden, um den Fifa-Partner Master Card zu schützen.
Fast an eine neue Orwellsche Wahrheit fand man sich in Frankfurt erinnert. Allen Ernstes forderte der Verband, dass im offiziellen WM-Prospekt der Stadt die Skyline retuschiert werden musste. Grund: Die Postbank war nationaler Förderer. Auf dem Panoramabild waren Namen anderer Geldinstitute zu erkennen.
Aber auch in anderen Lebensbereichen schritt die FIFA ein. Journalisten wurden angewiesen, dass sie Fußball mit „ss“ zu schreiben haben und bei Publikationen die offiziellen Begriffe WM 2006 mit einem Trademarkzeichen zu versehen.
Um den langen Bogen zu der Auslosung in Leipzig wieder zu schließen: Hamburg konnte sich auf Argentinien, die Elfenbeinküste, Costa Rica, Ecuador, Saudi Arabien, die Ukraine, Italien und Tschechien freuen. Dazu war man Ausrichter eines Viertelfinales.
In den folgenden Monaten gab es vielfältige Veranstaltungen zum Thema Fußball und die Weltmeisterschaft. Dabei tat sich auch der Fanladen des FC St. Pauli hervor, der Lesungen und Veranstaltungen in den Räumlichkeiten anbot.
Der Globus, eine überdimensionale Fußballkugel mit einer Art Museum machte in der Hansestadt halt, diverse kulturelle Events fanden auf dem Rathausmarkt statt, Theater besannen sich des Themas Fußball, Kinos zeigten Filme rund um das runde Leder und fast alle Dinge des täglichen Lebens wurden mit dem bevorstehenden Großereignis in Verbindung gebracht.
Doch trotz dieser Überflutung an Angeboten vor der WM, blieb der gemeine Bürger Hamburgs noch zurückhaltend. Aber partiell kam schon so etwas wie Euphorie auf. Szenen wie auf einem südländischen Basar konnte man z.B. bei der Panini-Bilder-Tauschbörse im Clubheim des FC St. Pauli erleben. Hunderte von Sammlern trafen sich wöchentlich in den Räumlichkeiten des Klubs und tauschten, was das Zeug hielt. Dabei wurde immer 1:1 getauscht, egal ob es sich um ein rares Exemplar handelte oder die scheinbar mit einer hundertfachen Auflage gedruckten Spieler der niederländischen Nationalmannschaft.
Die WM rückte unaufhaltsam näher und die Stadt machte sich fein. Eine gelungene Idee waren die Blue Goals, die überall in der Stadt aufgebaut wurden. Der Theatermacher und Lichtkünstler Michael Batz hatte die Idee zu dem Projekt entwickelt, das die Stadt bei Dunkelheit in ein blaues Licht tauchte.
Wenige Tage vor dem Eröffnungsspiel in München war etwas bisher kaum da gewesenes zu beobachten gewesen. Die Supermärkte mit ihrem Billig-Merchandise wurden geradezu leer geräumt. Jeder Mensch wollte irgendein Teil haben, dass mit der WM im Zusammenhang stand, wobei die wenigsten sich für Goleo, dem offiziellen Maskottchen, entschieden. Ein Löwe, der aussieht wie der Cha-Cha-Bär aus einer Kinderserie und dazu keine Hose an hat, war dann doch zu viel für die konsumwütigen Hamburger. Außer in den Dekorationen der Schaufenster ist mir dieses unglücklichste aller Maskottchen zum Glück nie aufgefallen.
Am 9. Juni 2006 war es endlich so weit – die WM konnte losgehen. Und wie es der liebe Gott wollte, hatte Petrus mit den Veranstaltern ein einsehen und pünktlich zum Start verabschiedeten sich die sibirischen Temperaturen und die sonne strahlte die kommenden Wochen vom Himmel – ein nicht planbarer Glücksfall, der erheblich zum Gelingen der WM beigetragen hat. Am Eröffnungsspieltag hingen mit einem Mal an den Balkonen schwarz-rot-goldenen Fahnen, an Autos montierte Winkelemente sorgten für einen Umsatzplus bei der Mineralölindustrie und adidas dürfte 40 Millionen deutscher Trikots verkauft haben, denn jeder zweite Mensch, den man auf der Straße traf, hatte ein weißes Hemd mit dem Adler auf der Brust an.
Die Bars und Kneipen waren überfüllt, auf dem Hamburger Fanfest auf dem Heiligengeistfeld tummelten sich 50.000 Menschen und in den Wohnungen versammelten sich Gruppen vor den Fernsehern. Die Eröffnungszeremonie mit Darstellern in bajuwarischer Landeskleidung und krachledernen Hosen dürfte die Vorurteile im Ausland über die biertrinkenden und schuhplattlernden Deutschen gefestigt haben. Den gemeinen Fan langweilte die zum Glück kurze Show nur.
Endlich ging es los und nach wenigen Minuten jubelte ein ganze Nation. Doch die Euphorie nach dem frühen Tor verging wieder, da das Gezeigte in der Folgezeit nicht vollends begeistern konnte. Der gemeine Hamburger zog sich am folgenden Tag wieder seinen Business-Anzug an und kümmerte sich um das Geld verdienen auch wenn die WM natürlich Hauptgesprächsthema war.
Dabei begann die WM für Hamburg schon etwas mehr als 24 Stunden nach dem Eröffnungsspiel in München. Wie es das Glück oder wie im Kapitel Ticketing beschrieben nicht nur das Glück wollte, hatte ich Karten für die Partie - sogar in der Kategorie 2. Dass der Preis von 60 Euro und die zweitbeste Kategorie in der Karten verkauft werden nicht automatisch zu guten Sichtverhältnissen im Stadion führen, sollte ich bei dieser Begegnung zwischen der Argentinien und der Elfenbeinküste erfahren. Aber so weit bin ich noch nicht.
Ein guter Freund, der die Karten ersteigert hatte, kam mit dem Auto aus Köln. Wir machten uns einen schönen Tag an der Alster und überall waren die in weiß und hellblau gekleideten Argentinier, die tanzend über die Flaniermeilen der Stadt hüpften. Ein für den gemeinen Mitteleuropäer zunächst ungewohntes Bild. Etwas über zwei Stunden vor dem Anpfiff machten wir uns auf den Weg in Richtung Stadion. Wie im Kapitel Ticketing beschrieben, gab es auf dem langen Marsch von der S-Bahnstation Stellingen zum Stadion diverse Schwarzmarkthändler, die versuchten ihre Karten an dem Mann zu bringen.
Große Enttäuschung machte sich dann in der Arena breit als ich sah, welche Tickets wir für 60 Euro erhalten hatten. Wir saßen hinter dem Tor im Unterrang – also mitten in der Kurve. Im Nachhinein erwies sich das aber als Glücksfall, denn wir saßen/standen mitten im Block der Argentinier, die über fast die gesamten 90 Minuten ein Support-Dauerfeuerwerk ablieferten.
Zu dem Spiel möchte ich nicht viel sagen, denn das würde den Rahmen sprengen. Auf der Liste der besten Begegnungen dieser WM landete es auf jeden Fall unter den Top-5, denn sowohl die leicht favorisierten Argentinier als auch die Ivorer boten Fußball der gehobenen Art, bei dem die Südamerikaner die Oberhand behielten.
Zwei Dinge sollten aber noch eine Erwähnung finden. Zum einen saßen neben uns ein paar Zuschauer, die vom Fußball so gar keine Ahnung hatte und scheinbar das erste Mal ein Stadion besuchten, um die WM zu erleben. Nachdem ich mir 30 Minuten den Schwachsinn, den diese Eventouristen von sich gegeben haben ertragen hatte, platzte mir der Kragen, als einer sich zu der Meinung verstieg, dass das Spiel nicht gut sei. Die Worte, die ich wählte, sind nicht druckreif aber in der folgenden Zeit unterhielten sich diese Leute dann zumindest nicht mehr über Fußball sondern so wichtige Dinge, welche Kaffeetasse die schönste in ihrem Büro sei.
Nach dem Abpfiff sah man tanzende und jubelnde Argentinier und niedergeschlagen Anhänger der Elfenbeinküste. Das #änderte sich aber schon auf dem Weg zurück zur S-Bahn. Die Fans der Gewinner trösteten die Supporter des unterlegenen Teams – ein Bild das ich bei allen Spielen ohne europäische Teilnehmer beobachten konnte. So feierten die Fan-Gruppen schließlich gemeinsam während die neutralen Zuschauer sich verwundert die Augen rieben und/oder es nur zur Kenntnis nahmen, denn das Gefühl, das die WM prägen sollte, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bei den Einheimischen angekommen.
Drei Tage später stand der erste Besuch des Fanfestes auf dem Heiligengeistfeld auf dem Programm. Eine wie sich im Nachhinein herausstellen sollte überragende Idee. Die verschiedenen teilnehmenden Nationen stellten sich in kleinen Pavillons in einem Areal zwischen der U-Bahnstation St. Pauli und dem Millerntor kulinarisch vor. Auf der Seite Richtung Feldstraße waren Tribünen aufgebaut und auf einer überdimensionale Leinwand konnte man das Sportliche verfolgen. Das Fanfest entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zu einer Begegnungsstätte zwischen den Fans der verschiedenen Länder. Überall unterhielten sich die Anhänger über den Fußball und Gott und die Welt. Diese Erfahrung möchte ich nicht missen, denn wo kann man ein Gespräch eines Iraners mit einem US-Amerikaner verfolgen und dran teilnehmen.
Dabei stellte es sich heraus, dass der Kontakt mit den nichteuropäischen Anhängern in der Regel leichter war als mit den kontinentalen Vertretern.
Nach dem tollen Erlebnis bei dem Spiel zwischen Kroatien und Brasilien auf dem Fanfest, entschied ich mich öfters her zukommen. Allerdings verdient noch etwas Erwähnung: Ich mag keine deutschen Anhänger der brasilianischen Nationalmannschaft, denn wenn ein St. Pauli-Fan auf Nachfrage wegen des guten Fußballs antwortet, warum er für die Spieler vom Zuckerhut sei, sollte er sich sein Fandasein bezüglich seines Klubs überdenken.
Beim nächsten Spiel der deutschen Nationalmannschaft, wollte ich auch einmal hier zugegen sein. Im Nachhinein bereute ich dieses Entscheidung, denn während der Spiele mit internationaler Beteiligung die Stimmung auf dem Fest hervorragend und grundsätzlich friedlich war, können einige Anhänger der deutschen Auswahl nicht aus ihrer Haut. Andere Nationen wurde bepöbelt und in diesem Fall die Polen fühlten sich nicht angesichts der vielen betrunkenen weiß beleibten Menschen bes-timmt nicht wohl in ihrer Haut.
Nach der Partie gegen unseren östlichen Nachbarn stand für mich fest, dass ich Spiele der DFB-Elf nur noch im kleinen Rahmen und in ausgewählten Kneipen verfolgen werde. Trotzdem konnte ich selbst diesem Abend auf dem Kiez noch etwas positives abgewinnen, denn ich setzte mich einfach in einen türkisch-deutschen Freundschaft-Klub, die sich in der Regel ja dadurch auszeichnen, dass man in ihnen keine Deutschen findet.
Nach einigen Gesprächen mit den Besuchern stellte ich fest, dass die Einwanderer der zweiten und dritten Generation fast fanatischer zur deutschen Mannschaft hielten als die Nativen selbst. Es war auf jeden Fall interessant anzusehen, mit welchem Enthusiasmus sie von den Klinsmännern sprachen und das sie sehr wohl wohlgesonnen gegenüber ihrem neuen Land sind, sich aber darüber beklagen, dass häufig der interkulturelle Kontakt schwer sei. Ich will hier nicht die Probleme von 40 Jahren Einwanderungspolitik aufarbeiten – es bleibt jedoch festzuhalten, dass fast alle Mitbürger ausländischer Herkunft sich mit den Erfolgen der deutschen Mannschaft freuten, so denn das Team ihres ursprünglichen Herkunftlandes nicht qualifiziert war.
Mein nächster Besuch galt der Velux-Lounge. Wer sich jetzt fragt, was das ist/war. Auf dem Bunker am Heiligengeistfeld hat der Fensterfabrikant eine Art Pavillon als Türmchen ausgebaut. Hier trafen sich die schönen, wichtigen und reichen Bürger der Stadt, um mit einem Blick auf das Heiligengeistfeld und das dort beheimatete Fanfest zu beobachten. Bei Schnittchen, Prosecco und ging es fast mehr um Geschäfte und Klatsch und Tratsch als um das Sportliche. Keine Frage, der Blick von da oben war atemberaubend aber der Sinn dieser Lounge erschloss sich mir nicht ganz.
Die weiteren Spiele, die ich besuchte, möchte ich kurz zusammen fassen. Bei der Begegnung Costa Rica gegen Ecuador war ich mit meinem Vater zu Gast. Die Kontrolleure am Eingang wollten doch tatsächlich, dass mein 70 Jahre alter Erzeuger eine Packung Tick-Tack abgibt, da es sich um Nahrungsmittel handelte. Dieses Mal hatten wir Plätze der Kategorie 3, die knapp unter dem Stadiondach lagen. Ein Phänomen der AOL-Arena, die während der Weltmeisterschaft WM-Stadion Hamburg heißt und inzwischen auf dem Namen HSH Nordbank-Arena hört, ist, dass man unten kaum etwas von den Stadiondurchsagen mitbekommt während im oberen Bereich der Tribünen selbst Ohrstöpsel einen Schaden der Gehörgänge nicht vermeiden konnte. Auf deutsch: Die Lautstärke beim Vorprogramm war unerträglich. Das Spiel war ganz nett: WM-Vorrunden-Mittelklasse. Die Ecuadorianer feierten dabei den Einzug in das Achtelfinale, da sie zuvor überraschend die Polen besiegt hatten.
Ganz und gar nicht Mittelklasse war die Partie zwischen der Ukraine und Saudi Arabien – ein grausamer Kick, der auch noch damit garniert wurde, dass ich mitten im Block der Osteuropäer saß. Diese „Ostblock-Tröten“ sind für mich ein Graus. Neunzig Minuten ertrug ich den monotonen Klang etwas zu hoch gestimmter Nebelhörner in der Kategorie 4, die sich dadurch auszeichnete, dass man direkt an der Betonwand der Arena saß und man bei dem infernalischen Gewitter unmittelbar vor dem Anpfiff trotz des Daches über den Kopf nass wurde, da der Regen seitlich auf die Ränge peitschte.
Die weiteren Spiele verfolgte ich wie erwähnt in Kneipen oder auf dem Fanfest und wie erwähnt, mied ich die Begegnungen der deutschen Mannschaft. Das aus gutem Grund, denn wenn selbst an spielfreien Tagen beim Schlendern über das Fanfest die benachbarte Schwedin als „Möbelfabrikant“ angeblökt wird, obwohl derjenige vermutlich einen Tag zuvor zu blöd war, das Billy-Regal aufzustellen, ist das nur noch dumm.
Schön fand ich allerdings die zumeist stille Trauer nach dem Ausscheiden der deutschen Equipe. Ein Traum war zerplatzt und ungefähr 99 Prozent der Leute gingen demütig nach Hause. Nein, ich fand es nicht schön, dass die deutsche Mannschaft ausgeschieden ist – ich will hier nicht falsch verstanden werden. Ich fand die stille Trauer einfach glaubwürdig und dem Anlass angemessen.
Dagegen entblödete sich die fast gleichnamige Zeitung nicht, indirekt zu einem Boykott italienischer Teigwaren aufzurufen. Mein Konsequenz war, dass ich bis zum Finale mich nur noch von Pasta und Pizza beim Italiener um die Ecke ernährte.
Für Hamburg war die WM zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon Geschichte, denn es fanden keine Spiele mehr in der Hansestadt statt. Aber trotzdem waren noch viele internationale Gäste vor Ort, die sich fast ausnahmslos angetan von der Stadt zeigten. Insgesamt kann man sagen, dass trotz einiger anzumerkenden Fehler, sich unsere Elbmetropole von ihrer schönsten Seite zeigte.