Die WM 2006 ist jetzt ziemlich genau ein Jahr Geschichte. Also die Zeit, um einmal mit genügend Abstand zum Ereignis eine kleine Bilanz zu ziehen. Das Sommermärchen ist Geschichte, trotzdem dürfte einiges nachhaltig bei dem gemeinen Bundesbürger haften geblieben sein – und sei es nur die Erinnerung an vier nette Wochen mit tollem Wetter und internationalen Gästen.
Heute will ich mich mal mit dem viel kritisierten Ticketing auseinander setzen. Was war vor der WM nicht alles zu hören und zu lesen. Viel zu kompliziert sei das System. Man müsse zu viele Daten preis geben, die auf Chips gespeichert wurden usw. usf.
Die erste Bestellphase lieferte auch das erwartet Ergebnis. Auf eine zu vergebende Karte kamen bis zu 100 Interessenten. Frust und Ernüchterung bei den Fans machte sich landauf und landab breit, als die ablehnenden Mails verschickt wurden.
Doch das ach so ausgeklügelte System hatte in der vorletzten Verkaufsphase eine Schwäche und es waren dieses Mal nicht irgendwelche Sponsoren oder Großkopferten, die davon profitierten sondern mit eine wenig Geschick, konnte jeder halbwegs mit Computern bewanderte Mensch zu den begehrten Billets kommen.
In dieser Phase wurden die Tickets nach einem Zufallsmechanismus in dem Ticketshop eingepflegt, die man dann mit Glück bestellen konnte. Aber war es wirklich Glück. Natürlich nicht! Das ganze System war Cookie-gesteuert. Wenn man einen schlechten Cookie von der Seite für die Sitzung bekommen hat, konnte man eine so oft wie man wollte auf das begehrte Angebot klicken. Man kam nie in den Verkaufsbereich der Tickets. Anders war es, wenn man eine „guten“ Cookie erwischte.
Mit diesem konnte man über einen bestimmten Zeitraum (ca. 30 Minuten) alle zu dem Zeitpunkt angebotenen Tickets absahnen. Dieses System führte zu einem erhöhten Gesprächsaufkommen am Telefon zwischen meinen Bekannten und mir. Der Inhalt der Gespräche war immer folgender: „Du, ich habe gerade ein gutes Cookie. Hast du Lust dir das Spiel Argentinien gegen die Elfenbeinküste in Hamburg anzusehen?“ Über die Antwort muss ich ja wohl nichts weiteres sagen.
So kam es, dass ich neben Costa Rica gegen Ecuador, dem schon erwähnten Spiel zwischen den Ivorern und den Gauchos auch noch das Spiel Ukraine gegen Saudi Arabien ansehen konnte, Es wäre ohne Weiteres möglich gewesen, Tickets für weiter Partien zu bekommen aber irgendwann kommt neben dem Faktor Geld und auch noch die mangelnde Zeit hinzu.
Nachdem ungefähr vier Wochen vor dem jeweiligen Spiel die Tickets per Post zu geschickt wurden, kam dann die Zeit der WM. Das erste Spiel, das ich besuchen durfte, war das schon oben erwähnte Spiel zwischen der Elfenbeinküste und den Argentiniern. Zu der Qualität der Begegnung muss ich wohl nicht viel sagen. Ein atemberaubendes Spiel auf höchstem Niveau. Allerdings verwundeten uns auf dem Weg zum Stadion die vielen Schwarzmarkthändler. Sollte nicht das ausgeklügelte System mit den vielen Daten verhindern, dass ein Tickethandel entsteht?
Im Kontrollbereich des Stadions angekommen, dass nicht wie sonst AOK-Arena sondern WM-Stadion Hamburg hieß, wurde schnell deutlich, dass die gesammelten Daten überhaupt keine Sinn machten. In unserer Schlange wurde nicht ein einziger überprüft. Das einzige Interesse der Ordner galt möglichen mitgebrachten Lebensmitteln und Getränken.
So kam es, dass neben mir eine Frau namens Michael mit ihrem Sohn Heike das Stadion betrat. Daneben verschaffte sich der Argentinier Carlos mit der Karte von Udo Zutritt zu dem Spiel. Dass allerdings Georg der Name einer schwarzafrikanischen Frau sein könnte, war mir neu. Kurz und gut: Die Vermischung der Tickets tat ihr übriges bei der guten Stimmung in den Stadien, denn trotz der versuchten Trennung der jeweiligen Fans der Teams durch das Ticketsystem kam es durch den Schwarzmarkt zu einer Durchmischung der Gruppen.
Das ach so deutsche System mit der Aufnahme der Daten und der Kontrollwut der Veranstalter erwies sich als Papiertiger. Aber gerade weil die untypische und fast italienische Handhabung vor Ort (wenig Kontrolle etc.) das System ad absurdum führte, herrschte auf den Rängen ausgelassene Stimmung und die Auslastung von über 95 Prozent in den Stadien gegenüber den halbleeren Tribünen vier Jahre zuvor in Asien zeigt, dass möglicherweise gerade die laxe Praxis ein Teil zum Gelingen der WM beitrug.
Der FIFA ist dieses System, das aus welchen Gründen auch immer funktionierte natürlich ein Dorn im Auge und der Verband will deswegen auf die Vergabepraxis über die Landesverbände aus der Vergangenheit zurückgreifen, die zu halbleeren Stadien geführt hat.
Viele Grüße Björn - ziemliches Brett, gelle ;-)