Hallo liebe Leute,
ich fühle mich durch euer Lob etwas unter Druck gesetzt. Hier also der
dritte Teil:
Schon in der ersten Bewerbungsphase für die Weltmeisterschaft war klar,
dass Hamburg auf jeden Fall einer der Standorte des Turniers sein würde.
Besaß doch die Hansestadt neben dem Westfalenstadion in Dortmund das
einzige halbwegs WM-taugliche Stadion der Republik.
So kam es in dieser Frühphase häufiger vor, dass sich die
internationalen FIFA-Gäste in Hamburg trafen, um sich ein Bild vom
Standort Deutschland zu machen. Dabei wurde natürlich auch immer die
AOL-Arena gezeigt.
Da sich die Hansestadt nicht wirklich ernsthaft beim nationalen OK
bewerben musste, wurden die Kämpfe zwischen den anderen potenziellen
WM-Städten hanseatisch zur Kenntnis genommen. Ein erste leichte
Begeisterung war verspürbar, als Deutschland auf dem legendären
FIFA-Kongress den Zuschlag bekam – sehr zum Unwillen des
FIFA-Generalsekretärs Joseph S. Blatter, der Südafrika favorisiert
hatte. Legendär deswegen, da sich der neuseeländische FIFA-Vertreter,
der das Zünglein an der Waage spielen sollte wohl von einem
Bestechungs-Fax des Satiremagazins Titanic so sehr unter Druck gesetzt
fühlte, dass er sich seiner Stimme enthielt, so dass Deutschland den
Zuschlag erhielt.
Mit saurer Miene verkündete nach der Abstimmung Blatter: „And the winner
is Deutschland.“ Jetzt wurden in den WM-Städten die Pläne und Bauten für
das Turnier intensiviert. Bloß was tun, wann man ein fertiges Stadion
besitzt. Es wurden einige Verschönerungsmaßnahmen in der
Stadionperipherie beschlossen und zum Turnier auch umgesetzt. Die langen
Wege von den S-Bahnhöfen am Volkspark sollten neu gepflastert werden.
Die Bahn renovierte den maroden S-Bahnhof Stellingen.
Doch ungefähr bis ein halbes Jahr vor dem Turnier zeigten sich die
Hamburger eher gelangweilt, wenn es um das Thema WM ging. Das wurde
schlagartig anders als Anfang Dezember 2005 in Leipzig die Gruppen
ausgelost wurden. Ein groteskes Schauspiel fand da in Sachsen statt,
denn eine Auslosung im eigentlichen Sinne war es ja nicht. Aber an
dieser Stelle will ich nicht mit den Regeln für die Zuschusterung der
Mannschaften zu den einzelnen Gruppen langweilen, denn am Rande dieser
Veranstaltung geschahen Dinge, die für den Verlauf der kommenden Wochen
und Monate bis zur WM viel interessanter waren.
Die Stadt Nürnberg präsentierte sich in Leipzig mit Lebkuchen und
Würstchen oder sagen wir besser sie wollte es: Unglaublich aber wahr,
dem fränkischen Gastgeber wurde es untersagt, seine landestypischen
Spezialitäten im Rahmen dieser Veranstaltung anzubieten, da sich ein
große Fast-Food-Kette die alleinige Verköstigung für das gesamte Turnier
gesichert hatte - und dazu gehörte auch dieser Kongress.
Langsam wurde deutlich, dass mit dem Zuschlag für das Turnier, die
Bundesrepublik Deutschland sich für den Zeitraum der WM, in die
Gesetzgebung der FIFA begeben hat und FIFA-Recht steht über Völker- und
jeglichem anderen Recht. Der Verband achtete peinlich genau drauf, dass
die Interessen der offiziellen Sponsoren nicht durch Konkurrenz tangiert
wurden.
So dauerte es nicht lange, bis sich auch Hamburger Politiker über die
Gängelung durch die FIFA beklagten, da es der Verband der Stadt fast
unmöglich machte, lokale Sponsoren für das Turnier zu finden, die dann
auch noch mit dem Event werben durften. "Die kümmern sich nicht nur um
die Brötchen, sondern auch um die Krümel", sagt Jürgen Schmidt (SPD),
Vorsitzender des Sportausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft.
Teilweise nahm die Regelungswut zum Schutz der offiziellen Sponsoren
groteske Züge an.
Das HSV-Museum in der AOL-Arena, die während des Turniers WM-Stadion
Hamburg heißen musste, durfte jeweils zwei Tage vor und nach einem
Turnierspiel nicht geöffnet werden, da einige ausgestellte Trikots mit
Beflockungen von der FIFA nicht genehmen Trikotsponsoren versehen
waren.
Es ging sogar so weit, dass ein ungefähr 300 Meter vor dem Stadion
befindlicher Kiosk, seine Bierreklame abmontieren sollte, da diese nicht
von einem der beiden Getränkesponsoren sei. Aber nicht nur Hamburg hatte
zu leiden.
In Nürnberg wurden Geldautomaten der HypoVereinsbank mit Klebeband
überdeckt, in der Bankenstadt Frankfurt mussten in Stadionnähe die Logos
von Kreditkartenfirmen zugeklebt werden, um den Fifa-Partner Master Card
zu schützen.
Fast an eine neue Orwellsche Wahrheit fand man sich in Frankfurt
erinnert. Allen Ernstes forderte der Verband, dass im offiziellen
WM-Prospekt der Stadt die Skyline retuschiert werden musste. Grund: Die
Postbank war nationaler Förderer. Auf dem Panoramabild waren Namen
anderer Geldinstitute zu erkennen.
Aber auch in anderen Lebensbereichen schritt die FIFA ein. Journalisten
wurden angewiesen, dass sie Fußball mit „ss“ zu schreiben haben und bei
Publikationen die offiziellen Begriffe WM 2006 mit einem
Trademarkzeichen zu versehen.
Um den langen Bogen zu der Auslosung in Leipzig wieder zu schließen:
Hamburg konnte sich auf Argentinien, die Elfenbeinküste, Costa Rica,
Ecuador, Saudi Arabien, die Ukraine, Italien und Tschechien freuen. Dazu
war man Ausrichter eines Viertelfinales.
In den folgenden Monaten gab es vielfältige Veranstaltungen zum Thema
Fußball und die Weltmeisterschaft. Dabei tat sich auch der Fanladen des
FC St. Pauli hervor, der Lesungen und Veranstaltungen in den
Räumlichkeiten anbot.
Der Globus, eine überdimensionale Fußballkugel mit einer Art Museum
machte in der Hansestadt halt, diverse kulturelle Events fanden auf dem
Rathausmarkt statt, Theater besannen sich des Themas Fußball, Kinos
zeigten Filme rund um das runde Leder und fast alle Dinge des täglichen
Lebens wurden mit dem bevorstehenden Großereignis in Verbindung
gebracht.
Doch trotz dieser Überflutung an Angeboten vor der WM, blieb der gemeine
Bürger Hamburgs noch zurückhaltend. Aber partiell kam schon so etwas wie
Euphorie auf. Szenen wie auf einem südländischen Basar konnte man z.B.
bei der Panini-Bilder-Tauschbörse im Clubheim des FC St. Pauli erleben.
Hunderte von Sammlern trafen sich wöchentlich in den Räumlichkeiten des
Klubs und tauschten, was das Zeug hielt. Dabei wurde immer 1:1
getauscht, egal ob es sich um ein rares Exemplar handelte oder die
scheinbar mit einer hundertfachen Auflage gedruckten Spieler der
niederländischen Nationalmannschaft.
Die WM rückte unaufhaltsam näher und die Stadt machte sich fein. Eine
gelungene Idee waren die Blue Goals, die überall in der Stadt aufgebaut
wurden. Der Theatermacher und Lichtkünstler Michael Batz hatte die Idee
zu dem Projekt entwickelt, das die Stadt bei Dunkelheit in ein blaues
Licht tauchte.
Wenige Tage vor dem Eröffnungsspiel in München war etwas bisher kaum da
gewesenes zu beobachten gewesen. Die Supermärkte mit ihrem
Billig-Merchandise wurden geradezu leer geräumt. Jeder Mensch wollte
irgendein Teil haben, dass mit der WM im Zusammenhang stand, wobei die
wenigsten sich für Goleo, dem offiziellen Maskottchen, entschieden. Ein
Löwe, der aussieht wie der Cha-Cha-Bär aus einer Kinderserie und dazu
keine Hose an hat, war dann doch zu viel für die konsumwütigen
Hamburger. Außer in den Dekorationen der Schaufenster ist mir dieses
unglücklichste aller Maskottchen zum Glück nie aufgefallen.
Am 9. Juni 2006 war es endlich so weit – die WM konnte losgehen. Und wie
es der liebe Gott wollte, hatte Petrus mit den Veranstaltern ein
einsehen und pünktlich zum Start verabschiedeten sich die sibirischen
Temperaturen und die sonne strahlte die kommenden Wochen vom Himmel –
ein nicht planbarer Glücksfall, der erheblich zum Gelingen der WM
beigetragen hat. Am Eröffnungsspieltag hingen mit einem Mal an den
Balkonen schwarz-rot-goldenen Fahnen, an Autos montierte Winkelemente
sorgten für einen Umsatzplus bei der Mineralölindustrie und adidas
dürfte 40 Millionen deutscher Trikots verkauft haben, denn jeder zweite
Mensch, den man auf der Straße traf, hatte ein weißes Hemd mit dem Adler
auf der Brust an.
Die Bars und Kneipen waren überfüllt, auf dem Hamburger Fanfest auf dem
Heiligengeistfeld tummelten sich 50.000 Menschen und in den Wohnungen
versammelten sich Gruppen vor den Fernsehern. Die Eröffnungszeremonie
mit Darstellern in bajuwarischer Landeskleidung und krachledernen Hosen
dürfte die Vorurteile im Ausland über die biertrinkenden und
schuhplattlernden Deutschen gefestigt haben. Den gemeinen Fan langweilte
die zum Glück kurze Show nur.
Endlich ging es los und nach wenigen Minuten jubelte ein ganze Nation.
Doch die Euphorie nach dem frühen Tor verging wieder, da das Gezeigte in
der Folgezeit nicht vollends begeistern konnte. Der gemeine Hamburger
zog sich am folgenden Tag wieder seinen Business-Anzug an und kümmerte
sich um das Geld verdienen auch wenn die WM natürlich
Hauptgesprächsthema war.
Dabei begann die WM für Hamburg schon etwas mehr als 24 Stunden nach dem
Eröffnungsspiel in München. Wie es das Glück oder wie im Kapitel
Ticketing beschrieben nicht nur das Glück wollte, hatte ich Karten für
die Partie - sogar in der Kategorie 2. Dass der Preis von 60 Euro und
die zweitbeste Kategorie in der Karten verkauft werden nicht automatisch
zu guten Sichtverhältnissen im Stadion führen, sollte ich bei dieser
Begegnung zwischen der Argentinien und der Elfenbeinküste erfahren. Aber
so weit bin ich noch nicht.
Ein guter Freund, der die Karten ersteigert hatte, kam mit dem Auto aus
Köln. Wir machten uns einen schönen Tag an der Alster und überall waren
die in weiß und hellblau gekleideten Argentinier, die tanzend über die
Flaniermeilen der Stadt hüpften. Ein für den gemeinen Mitteleuropäer
zunächst ungewohntes Bild. Etwas über zwei Stunden vor dem Anpfiff
machten wir uns auf den Weg in Richtung Stadion. Wie im Kapitel
Ticketing beschrieben, gab es auf dem langen Marsch von der
S-Bahnstation Stellingen zum Stadion diverse Schwarzmarkthändler, die
versuchten ihre Karten an dem Mann zu bringen.
Große Enttäuschung machte sich dann in der Arena breit als ich sah,
welche Tickets wir für 60 Euro erhalten hatten. Wir saßen hinter dem Tor
im Unterrang – also mitten in der Kurve. Im Nachhinein erwies sich das
aber als Glücksfall, denn wir saßen/standen mitten im Block der
Argentinier, die über fast die gesamten 90 Minuten ein
Support-Dauerfeuerwerk ablieferten.
Zu dem Spiel möchte ich nicht viel sagen, denn das würde den Rahmen
sprengen. Auf der Liste der besten Begegnungen dieser WM landete es auf
jeden Fall unter den Top-5, denn sowohl die leicht favorisierten
Argentinier als auch die Ivorer boten Fußball der gehobenen Art, bei dem
die Südamerikaner die Oberhand behielten.
Zwei Dinge sollten aber noch eine Erwähnung finden. Zum einen saßen
neben uns ein paar Zuschauer, die vom Fußball so gar keine Ahnung hatte
und scheinbar das erste Mal ein Stadion besuchten, um die WM zu erleben.
Nachdem ich mir 30 Minuten den Schwachsinn, den diese Eventouristen von
sich gegeben haben ertragen hatte, platzte mir der Kragen, als einer
sich zu der Meinung verstieg, dass das Spiel nicht gut sei. Die Worte,
die ich wählte, sind nicht druckreif aber in der folgenden Zeit
unterhielten sich diese Leute dann zumindest nicht mehr über Fußball
sondern so wichtige Dinge, welche Kaffeetasse die schönste in ihrem Büro
sei.
Nach dem Abpfiff sah man tanzende und jubelnde Argentinier und
niedergeschlagen Anhänger der Elfenbeinküste. Das #änderte sich aber
schon auf dem Weg zurück zur S-Bahn. Die Fans der Gewinner trösteten die
Supporter des unterlegenen Teams – ein Bild das ich bei allen Spielen
ohne europäische Teilnehmer beobachten konnte. So feierten die
Fan-Gruppen schließlich gemeinsam während die neutralen Zuschauer sich
verwundert die Augen rieben und/oder es nur zur Kenntnis nahmen, denn
das Gefühl, das die WM prägen sollte, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht
bei den Einheimischen angekommen.
Drei Tage später stand der erste Besuch des Fanfestes auf dem
Heiligengeistfeld auf dem Programm. Eine wie sich im Nachhinein
herausstellen sollte überragende Idee. Die verschiedenen teilnehmenden
Nationen stellten sich in kleinen Pavillons in einem Areal zwischen der
U-Bahnstation St. Pauli und dem Millerntor kulinarisch vor. Auf der
Seite Richtung Feldstraße waren Tribünen aufgebaut und auf einer
überdimensionale Leinwand konnte man das Sportliche verfolgen. Das
Fanfest entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zu einer
Begegnungsstätte zwischen den Fans der verschiedenen Länder. Überall
unterhielten sich die Anhänger über den Fußball und Gott und die Welt.
Diese Erfahrung möchte ich nicht missen, denn wo kann man ein Gespräch
eines Iraners mit einem US-Amerikaner verfolgen und dran teilnehmen.
Dabei stellte es sich heraus, dass der Kontakt mit den nichteuropäischen
Anhängern in der Regel leichter war als mit den kontinentalen
Vertretern.
Nach dem tollen Erlebnis bei dem Spiel zwischen Kroatien und Brasilien
auf dem Fanfest, entschied ich mich öfters her zukommen. Allerdings
verdient noch etwas Erwähnung: Ich mag keine deutschen Anhänger der
brasilianischen Nationalmannschaft, denn wenn ein St. Pauli-Fan auf
Nachfrage wegen des guten Fußballs antwortet, warum er für die Spieler
vom Zuckerhut sei, sollte er sich sein Fandasein bezüglich seines Klubs
überdenken.
Beim nächsten Spiel der deutschen Nationalmannschaft, wollte ich auch
einmal hier zugegen sein. Im Nachhinein bereute ich dieses Entscheidung,
denn während der Spiele mit internationaler Beteiligung die Stimmung auf
dem Fest hervorragend und grundsätzlich friedlich war, können einige
Anhänger der deutschen Auswahl nicht aus ihrer Haut. Andere Nationen
wurde bepöbelt und in diesem Fall die Polen fühlten sich nicht
angesichts der vielen betrunkenen weiß beleibten Menschen bes-timmt
nicht wohl in ihrer Haut.
Nach der Partie gegen unseren östlichen Nachbarn stand für mich fest,
dass ich Spiele der DFB-Elf nur noch im kleinen Rahmen und in
ausgewählten Kneipen verfolgen werde. Trotzdem konnte ich selbst diesem
Abend auf dem Kiez noch etwas positives abgewinnen, denn ich setzte mich
einfach in einen türkisch-deutschen Freundschaft-Klub, die sich in der
Regel ja dadurch auszeichnen, dass man in ihnen keine Deutschen findet.
Nach einigen Gesprächen mit den Besuchern stellte ich fest, dass die
Einwanderer der zweiten und dritten Generation fast fanatischer zur
deutschen Mannschaft hielten als die Nativen selbst. Es war auf jeden
Fall interessant anzusehen, mit welchem Enthusiasmus sie von den
Klinsmännern sprachen und das sie sehr wohl wohlgesonnen gegenüber ihrem
neuen Land sind, sich aber darüber beklagen, dass häufig der
interkulturelle Kontakt schwer sei. Ich will hier nicht die Probleme von
40 Jahren Einwanderungspolitik aufarbeiten – es bleibt jedoch
festzuhalten, dass fast alle Mitbürger ausländischer Herkunft sich mit
den Erfolgen der deutschen Mannschaft freuten, so denn das Team ihres
ursprünglichen Herkunftlandes nicht qualifiziert war.
Mein nächster Besuch galt der Velux-Lounge. Wer sich jetzt fragt, was
das ist/war. Auf dem Bunker am Heiligengeistfeld hat der
Fensterfabrikant eine Art Pavillon als Türmchen ausgebaut. Hier trafen
sich die schönen, wichtigen und reichen Bürger der Stadt, um mit einem
Blick auf das Heiligengeistfeld und das dort beheimatete Fanfest zu
beobachten. Bei Schnittchen, Prosecco und ging es fast mehr um Geschäfte
und Klatsch und Tratsch als um das Sportliche. Keine Frage, der Blick
von da oben war atemberaubend aber der Sinn dieser Lounge erschloss sich
mir nicht ganz.
Die weiteren Spiele, die ich besuchte, möchte ich kurz zusammen fassen.
Bei der Begegnung Costa Rica gegen Ecuador war ich mit meinem Vater zu
Gast. Die Kontrolleure am Eingang wollten doch tatsächlich, dass mein 70
Jahre alter Erzeuger eine Packung Tick-Tack abgibt, da es sich um
Nahrungsmittel handelte. Dieses Mal hatten wir Plätze der Kategorie 3,
die knapp unter dem Stadiondach lagen. Ein Phänomen der AOL-Arena, die
während der Weltmeisterschaft WM-Stadion Hamburg heißt und inzwischen
auf dem Namen HSH Nordbank-Arena hört, ist, dass man unten kaum etwas
von den Stadiondurchsagen mitbekommt während im oberen Bereich der
Tribünen selbst Ohrstöpsel einen Schaden der Gehörgänge nicht vermeiden
konnte. Auf deutsch: Die Lautstärke beim Vorprogramm war unerträglich.
Das Spiel war ganz nett: WM-Vorrunden-Mittelklasse. Die Ecuadorianer
feierten dabei den Einzug in das Achtelfinale, da sie zuvor überraschend
die Polen besiegt hatten.
Ganz und gar nicht Mittelklasse war die Partie zwischen der Ukraine und
Saudi Arabien – ein grausamer Kick, der auch noch damit garniert wurde,
dass ich mitten im Block der Osteuropäer saß. Diese „Ostblock-Tröten“
sind für mich ein Graus. Neunzig Minuten ertrug ich den monotonen Klang
etwas zu hoch gestimmter Nebelhörner in der Kategorie 4, die sich
dadurch auszeichnete, dass man direkt an der Betonwand der Arena saß und
man bei dem infernalischen Gewitter unmittelbar vor dem Anpfiff trotz
des Daches über den Kopf nass wurde, da der Regen seitlich auf die Ränge
peitschte.
Die weiteren Spiele verfolgte ich wie erwähnt in Kneipen oder auf dem
Fanfest und wie erwähnt, mied ich die Begegnungen der deutschen
Mannschaft. Das aus gutem Grund, denn wenn selbst an spielfreien Tagen
beim Schlendern über das Fanfest die benachbarte Schwedin als
„Möbelfabrikant“ angeblökt wird, obwohl derjenige vermutlich einen Tag
zuvor zu blöd war, das Billy-Regal aufzustellen, ist das nur noch dumm.
Schön fand ich allerdings die zumeist stille Trauer nach dem Ausscheiden
der deutschen Equipe. Ein Traum war zerplatzt und ungefähr 99 Prozent
der Leute gingen demütig nach Hause. Nein, ich fand es nicht schön, dass
die deutsche Mannschaft ausgeschieden ist – ich will hier nicht falsch
verstanden werden. Ich fand die stille Trauer einfach glaubwürdig und
dem Anlass angemessen.
Dagegen entblödete sich die fast gleichnamige Zeitung nicht, indirekt zu
einem Boykott italienischer Teigwaren aufzurufen. Mein Konsequenz war,
dass ich bis zum Finale mich nur noch von Pasta und Pizza beim Italiener
um die Ecke ernährte.
Für Hamburg war die WM zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon Geschichte,
denn es fanden keine Spiele mehr in der Hansestadt statt. Aber trotzdem
waren noch viele internationale Gäste vor Ort, die sich fast ausnahmslos
angetan von der Stadt zeigten. Insgesamt kann man sagen, dass trotz
einiger anzumerkenden Fehler, sich unsere Elbmetropole von ihrer
schönsten Seite zeigte.
--
Björn Pahrmann <bjoern.pahrmann(a)bjoern-pahrmann.de>
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Die WM 2006 ist jetzt ziemlich genau ein Jahr Geschichte. Also die Zeit,
um einmal mit genügend Abstand zum Ereignis eine kleine Bilanz zu
ziehen. Das Sommermärchen ist Geschichte, trotzdem dürfte einiges
nachhaltig bei dem gemeinen Bundesbürger haften geblieben sein – und sei
es nur die Erinnerung an vier nette Wochen mit tollem Wetter und
internationalen Gästen.
Heute will ich mich mal mit dem viel kritisierten Ticketing auseinander
setzen. Was war vor der WM nicht alles zu hören und zu lesen. Viel zu
kompliziert sei das System. Man müsse zu viele Daten preis geben, die
auf Chips gespeichert wurden usw. usf.
Die erste Bestellphase lieferte auch das erwartet Ergebnis. Auf eine zu
vergebende Karte kamen bis zu 100 Interessenten. Frust und Ernüchterung
bei den Fans machte sich landauf und landab breit, als die ablehnenden
Mails verschickt wurden.
Doch das ach so ausgeklügelte System hatte in der vorletzten
Verkaufsphase eine Schwäche und es waren dieses Mal nicht irgendwelche
Sponsoren oder Großkopferten, die davon profitierten sondern mit eine
wenig Geschick, konnte jeder halbwegs mit Computern bewanderte Mensch zu
den begehrten Billets kommen.
In dieser Phase wurden die Tickets nach einem Zufallsmechanismus in dem
Ticketshop eingepflegt, die man dann mit Glück bestellen konnte. Aber
war es wirklich Glück. Natürlich nicht! Das ganze System war
Cookie-gesteuert. Wenn man einen schlechten Cookie von der Seite für die
Sitzung bekommen hat, konnte man eine so oft wie man wollte auf das
begehrte Angebot klicken. Man kam nie in den Verkaufsbereich der
Tickets. Anders war es, wenn man eine „guten“ Cookie erwischte.
Mit diesem konnte man über einen bestimmten Zeitraum (ca. 30 Minuten)
alle zu dem Zeitpunkt angebotenen Tickets absahnen. Dieses System führte
zu einem erhöhten Gesprächsaufkommen am Telefon zwischen meinen
Bekannten und mir. Der Inhalt der Gespräche war immer folgender: „Du,
ich habe gerade ein gutes Cookie. Hast du Lust dir das Spiel Argentinien
gegen die Elfenbeinküste in Hamburg anzusehen?“ Über die Antwort muss
ich ja wohl nichts weiteres sagen.
So kam es, dass ich neben Costa Rica gegen Ecuador, dem schon erwähnten
Spiel zwischen den Ivorern und den Gauchos auch noch das Spiel Ukraine
gegen Saudi Arabien ansehen konnte, Es wäre ohne Weiteres möglich
gewesen, Tickets für weiter Partien zu bekommen aber irgendwann kommt
neben dem Faktor Geld und auch noch die mangelnde Zeit hinzu.
Nachdem ungefähr vier Wochen vor dem jeweiligen Spiel die Tickets per
Post zu geschickt wurden, kam dann die Zeit der WM. Das erste Spiel, das
ich besuchen durfte, war das schon oben erwähnte Spiel zwischen der
Elfenbeinküste und den Argentiniern. Zu der Qualität der Begegnung muss
ich wohl nicht viel sagen. Ein atemberaubendes Spiel auf höchstem
Niveau. Allerdings verwundeten uns auf dem Weg zum Stadion die vielen
Schwarzmarkthändler. Sollte nicht das ausgeklügelte System mit den
vielen Daten verhindern, dass ein Tickethandel entsteht?
Im Kontrollbereich des Stadions angekommen, dass nicht wie sonst
AOK-Arena sondern WM-Stadion Hamburg hieß, wurde schnell deutlich, dass
die gesammelten Daten überhaupt keine Sinn machten. In unserer Schlange
wurde nicht ein einziger überprüft. Das einzige Interesse der Ordner
galt möglichen mitgebrachten Lebensmitteln und Getränken.
So kam es, dass neben mir eine Frau namens Michael mit ihrem Sohn Heike
das Stadion betrat. Daneben verschaffte sich der Argentinier Carlos mit
der Karte von Udo Zutritt zu dem Spiel. Dass allerdings Georg der Name
einer schwarzafrikanischen Frau sein könnte, war mir neu. Kurz und gut:
Die Vermischung der Tickets tat ihr übriges bei der guten Stimmung in
den Stadien, denn trotz der versuchten Trennung der jeweiligen Fans der
Teams durch das Ticketsystem kam es durch den Schwarzmarkt zu einer
Durchmischung der Gruppen.
Das ach so deutsche System mit der Aufnahme der Daten und der
Kontrollwut der Veranstalter erwies sich als Papiertiger. Aber gerade
weil die untypische und fast italienische Handhabung vor Ort (wenig
Kontrolle etc.) das System ad absurdum führte, herrschte auf den Rängen
ausgelassene Stimmung und die Auslastung von über 95 Prozent in den
Stadien gegenüber den halbleeren Tribünen vier Jahre zuvor in Asien
zeigt, dass möglicherweise gerade die laxe Praxis ein Teil zum Gelingen
der WM beitrug.
Der FIFA ist dieses System, das aus welchen Gründen auch immer
funktionierte natürlich ein Dorn im Auge und der Verband will deswegen
auf die Vergabepraxis über die Landesverbände aus der Vergangenheit
zurückgreifen, die zu halbleeren Stadien geführt hat.
Viele Grüße
Björn - ziemliches Brett, gelle ;-)
--
Björn Pahrmann <bjoern.pahrmann(a)bjoern-pahrmann.de>
[Die Teile dieser Nachricht, die nicht aus Text bestanden, wurden entfernt]
--
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Moin Piraten,
womöglich hat den hier ja schon mal jemand gehört.
Ich finde ihn jedenfalls sehr komisch.
Durch einen schrecklichen Unfall nach dem Traditionsderby versterben in einer
Woche zuerst Holger Stanislawski und drei Tage später Huub Stevens.
Als Stevens in den Himmel kommt, sagt Gott zu ihm: "Hallo, Herr Stevens,
schön Sie zu sehen! In Anbetracht Ihrer großen Verdienste um den HSV
in der Rückrunde, kriegen Sie hier Ihr eigenes Häuschen und, glauben Sie mir,
das kriegt hier nicht jeder!"
Gott nimmt Stevens an die Hand und führt ihn vor einen kleinen Flachdach-
bungalow auf einer kleinen Wolke. Die Fußmatte an der Tür ist mit dem
HSV-Logo versehen und eine kleine HSV-Fahne weht im
Vorgärtchen.
Huub Stevens denkt sich: "Joh, ganz nett", dreht sich um... und traut seinen
Augen nicht. Auf der nächsten Wolke, hoch über ihm steht ein italienischer
Palazzo, komplett mit Balustrade und sechs dorischen Säulen. Der Palazzo
ist braun-weiß gestrichen, über und über mit FC St. Pauli-Symbolen, -Fahnen,
-Transparenten und Totenköpfen übersät, große FC St. Pauli-Wappen aus
Marmor zieren den Garten.
Aus riesigen Lautsprechern dröhnt Hells-Bells und You`ll never walk alone
zu ihm herab. In braune Trikots gewandete Engel erfüllen alle Wünsche...
Stevens wendet sich an Gott und sagt, schwer brüskiert: "Was ist das denn?
Wieso kriegt der Stani so einen Palast da hingestellt? Der hat doch noch
gar nix geleistet, der Mann! Häh??? Wieso lebt der hier in so nem Haus?"
Gott dreht sich um und schaut Stevens tief in die Augen: "Mein Sohn, das
ist nicht Stanislawskis Haus, das ist meins!"
Forza FC St. Pauli, Bodo
Life is what happens.
While you´re busy making other plans.
(John Lennon)
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Moin Malte,
Du schriebst:
.... Hab daraufhin erstmal "Deutschland- ein sommermärchen" nochmal geguckt....
Das habe ich mit meinem Dank an Björn eigentlich nicht gemeint.
Dieser Film, den ich mir nicht angeschaut habe und auch nicht anschauen möchte, ist für mich nur der mediale Abschluß dieses Paradebeispiels von Massemanipulation und Propaganda, den ich historisch bis dahin nur aus totalitären Staaten gekannt habe.
Mein Dank an Björn geht vielmehr dahin, dass er sich kritisch mit der uns vor einem Jahr suggerrierten, heilen Fußballwelt auseinander setzt.
Leider wird uns ja sogar heute noch weis gemacht, dass es sich bei der WM in Deutschland um ein "Sommermärchen" und nicht um ein riesiges, milliardenschweres nationales "Brot und Spiele" Massenspektakel handelte, das unter anderem von Massenarbeitslosigkeit und Hartz 4 ablenken sollte.
Mir wird jetzt noch schlecht, wenn ich an die ca. 80 % aller Autofahrer mit mindestens einer Deutschlandfahne an ihrem Fahrzeug denke. Selbst heute gibt es noch vereinzelt solche Spakkofatzen zu sehen.
Das einzige, was damals wirklich schön war, war das Wetter. Da haben die Organisatoren wirklich Schwein gehabt.
Ich habe die WM `74 in Deutschland miterlebt. Damals war ich 22 Jahre alt. Der Hype war seinerzeit nur ein Bruchteil von dem, was im vergangenen Jahr fabriziert wurde. Allerdings war das Wetter nicht so schön. Und wir hatten Hochkonjunktur. Da hatten wir eh nicht die Massenprobleme wie heute und die Machtinhaber und Entscheider mußten dem Volk keine schöne, heile Welt vorgaukeln (wenngleich sie es auch damals versucht haben).
Trotzdem ist die deutsche Nationalmannschaft Weltmeister geworden. Trotz der Niederlage gegen die DDR in Hamburg und dem Regenspiel in Frankfurt gegen Polen.
Heutzutage ist nicht die Deutsche Fußballnationalmannschaft, trotz zum Teil grottenschlechtem Fußball, Dritter geworden, sonder WIR sind FAST Weltmeister geworden. So ändern sich die Zeiten.
Obwohl es inzwischen sehenswerte Fernsehdokumentation z.B. vom WDR gibt, die das Märchen von der völlig gewaltfreien WM und dem "beispielhaften Wirken UNSERER Ordnungs- und Organisationskräfte" widerlegen (Beispiel Stuttgart), wird wieder und wieder vom "SOMMERMÄRCHEN" geschwafelt. Ich kanns nicht mehr hören!
Und dafür danke ich nochmal Björn, dass er in seinen Beiträgen die Dinge hinterfragt.
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Moin Olli...
also ich muss sagen ich fand es sehr viel einfacher den Mann da weg zu holen...
hab ja auch zwei schlag kräftige Argumente -jetzt ich grins-
Liebe Grüsse zurück
--
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von mir auch nochmal danke für den Rückblick war echt klasse...
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Moin Moin ,
mal schöne Grüsse aus der alten Heimat und Glückwunsch zum Nachwuchs.
ich hab meine Frau aus Sachsen hier her geholt , war einfacher -grins-
Viva St.Pauli Olli
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moin björn...
vielen dank für diesen rückblick... der hat gefühle hochgeholt.
Hab daraufhin erstmal "Deutschland-ein sommermärchen" nochmal geguckt.
Gänsehaut war garantiert.
Vielen dank dafür
Malte
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Moin Björn,
Du schriebst:
...
Wenn der letzte Teil schon ein Brett war, was ist dann das hier ;-)
Das kann ich Dir sagen: ´n ganz ssstarkes SSStück ist das!
Wenn ich nicht wüßte, dass Du des Schreibens und Lesens ohnehin mächtig bist,
könnte ich glatt denken, dass Du des Schreibens und Lesens ganz schön mächtig bist. ;-))
Forza FC St. Pauli, Bodo
Life is what happens.
While you´re busy making other plans.
(John Lennon)
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