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Die Welt zu Gast im Rechtsstaat
Die Fifa verhängt ein Stadionverbot gegen eine Gruppe von 30 argentinischen
Fans - allerdings ohne handfesten Grund
Von T. Kistner und J. Cáceres
Berlin - Mittwoch bekam das WM-Organisationskomitee Post von einer Münchner
Anwaltskanzlei. Diese vertritt eine Gruppe ausländischer Fußballfans in
einer offenkundig heiklen Sache, die mehr als eine Woche unter Verschluss
gehalten wurde: 30 meist argentinischen Besuchern ist Stunden nach der
Partie ihres Teams gegen die Niederlande vergangene Woche Hausverbot für die
WM-Stadien erteilt worden. Mit offenkundig marginalen Vorwürfen, und jeder
einzelne mit identischer Begründung. Das Landgericht Frankfurt gab gestern
den Einstweiligen Verfügungen der Fans statt, die das Viertelfinalspiel
gegen Deutschland im Stadion sehen wollten. Sie hätten ¸¸glaubhaft gemacht,
dass tatsächliche Gründe, die die ausgesprochenen Hausverbote auf der
Grundlage der Stadion-ordnung rechtfertigen, nicht bestehen".
Den Fans wurde unter anderem vorgeworfen, auf Sitze gestiegen zu sein und
die Fanblöcke gewechselt haben. Letzteres trifft nur für einige der 30 zu,
auch ist diese Verbotsfrage offen: Platzwechsel fanden in Frankfurt demnach
nur zwischen den Blöcken 13 und 15 statt, innerhalb der argentinischen
Kurve; Absperrungen gab es nicht. Einige Fans konnten anhand ihrer Tickets
belegen, dass sie im Einvernehmen mit den Sitzinhabern Plätze getauscht
haben. Über Zwischenfälle bei den Argentinien-Partien wurde bisher auch
nichts bekannt.
Der Vorgang bleibt mysteriös, das WM-OK schob Anfragen dazu am Donnerstag
von einer Stelle zur anderen. Was war passiert? Neben der Darstellung der
Betroffenen liegt die Eidesstattliche Erklärung eines Rechtsanwaltes vor,
der zufällig des Weges kam und die Aktion in Frankfurt hautnah miterleben
konnte. Andres Jelic wollte helfen, als die Fangruppe von einigen Dutzend
Polizisten umstellt war. Zugegen war auch der Fifa-Beauftragte Gerhard
Anhäuser, der die Personalien aufnehmen ließ und den Fans eine Erklärung zum
Stadionverbot vorlas. Den auf deutsch gehaltenen Vortrag konnte nur einer
aus der Gruppe verstehen. Jelic wollte übersetzen helfen, was verweigert
wurde. Er riet den Leuten dann, nichts zu unterschreiben.
Was weiter geschah, gibt der Justitiar eines deutschen Konzerns so wieder:
Der Fifa-Mann habe einzelnen Fans keine Handlungen zuordnen können, sondern
die gesamte Gruppe verantwortlich gemacht und sich auf Videobilder berufen.
Er habe erklärt, das Stadionverbot werde zur Abschreckung ausgesprochen und
später aufgehoben - ¸¸Ehrenwort". Dies bezeugt auch Martin Schulz, Deutscher
argentinischer Herkunft, der an dem Abend erstmals mit der Gruppe
Stadionblock saß. Die Argentinien-Spiele zuvor hatte er mit Frau und Baby
besucht, allerdings in anderen Blöcken. Trotzdem trafen ihn dieselben
Vorwürfe. Hausverbot bekamen noch sieben weitere Fans, die sich in der Nähe
der Gruppe ¸¸Los Borrachos" aus Buenos Aires aufhielten.
Die eidesstattliche Darstellung des Juristen Jelics, selbst ein Organ der
Rechtspflege, ist noch gravierender. Fifa-Mann Anhäuser hätte ihn zum
Verschwinden aufgefordert, er sei weggestoßen worden, obwohl er ¸¸nur
verhindern wollte, dass die der Sprache nicht kundigen Fans durch Maßnahmen,
die sie nicht verstehen, von der Fifa überfahren werden". Später habe ihn
ein Polizist zu sich gerufen und gesagt: ¸¸Hier geschieht eine Riesensauerei
gegen argentinische Fans. Eine gezielte Aktion der Fifa, um die
argentinische Anhängerschaft zu schwächen. Verständigen Sie die Presse."
Auch der Betroffene Schulz sagt, Polizisten hätten ihm gegenüber ihren Unmut
über die Aktion bekundet. Marco Noli, Rechtsvertreter der Fans, bezeichnete
die Vorwürfe gestern als konstruiert, zumal ¸¸von keinem die Personalien im
Stadion aufgenommen worden waren".
Der Vorgang wirft Fragen auf, zumal er selbst OK-Pressesprecher Jens
Grittner noch Donnerstagnachmittag ¸¸völlig unbekannt" war. Fifa-Mann
Anhäuser hatte sich zuvor nicht äußern wollen und an die OK-Rechtsabteilung
verwiesen, die wiederum auf Grittner verwies. Ein am Einsatz beteiligter
Beamte sagte der SZ, dass sich die Vorgänge ¸¸etwas anders" abgespielt
hätten. Tatsächlich kooperieren die Ordnungshüter mit acht Kollegen der
argentinischen Bundespolizei, die für die Dauer der WM im Lande weilten. Die
Sachlage bleibt ominös, immerhin erwarben die mit Hausverbot belegten Fans
ihre Tickets ordentlich beim argentinischen Verband. Allerdings ist diese
Gruppe mit ihren Trommeln und Gesängen der Motor der Begeisterung in der
Anhängerkurve. Andere Fans orientieren sich daran, Maradona kommuniziert
gestenreich mit ihnen.
Nicht auszuschließen, dass die nie offiziell gemachte ¸¸Undercover-Aktion"
(Anwalt Noli) auf Anraten der argentinischen WM-Berater geschah. ¸¸Los
Borrachos del Tablãn" sind eine Fangruppe, vergleichbar mit hiesigen
Ultra-Gruppierungen, der Gewalt angeblich nicht ganz abgeneigt. Kenner
berichten, sie übten enormen Einfluss im Verein aus und finanzierten sich
etwa aus den Erlösen von Merchandising-Artikeln, die sie auf dem Klubgelände
vertreiben. Es gibt auch Gerüchte, dass ¸¸Spenden", die ebenfalls eingehen,
mehr auf Erpressung zurückgingen. So soll ein Transfer eines Spielers zu
River Plate zustande gekommen sein, nachdem ein Obolus an die Borrachos in
Form von drei Flugtickets nach Deutschland abgeführt worden war. Die
betroffene Gruppe jedoch, so viel scheint sicher, fiel nicht unter die
strengen Ausreiseverbote Argentiniens zur WM.
Derweil berichtete die Tageszeitung La Nacion gestern, die ¸¸Borrachos"
hätten an einem Fifa-Stand in Berlin Karten für das Deutschlandspiel
erhalten. Bedient hätten sie ¸¸Funktionäre aus der zweiten Linie" des
argentinischen Verbandes Afa. 40 Fans hätte ihre Tickets bekommen, während
andere¸¸normale" Anhänger leer ausgegangen seien.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.148, Freitag, den 30. Juni 2006 , Seite 31
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